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Die Morde des Herrn ABC

Die Morde des Herrn ABC

Titel: Die Morde des Herrn ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ich noch mal zurückkomme», sagte sie gemessen. «Aber mir ist etwas eingefallen, was ich Ihnen unbedingt sagen möchte, Monsieur Poirot.»
    «Ich bitte Sie darum, Mademoiselle. Wollen Sie nicht Platz nehmen?»
    Sie setzte sich und schien eine Weile nach Worten zu suchen.
    «Es handelt sich darum, Monsieur Poirot, dass Mr. Clarke Ihnen großmütigerweise zu verstehen gab, ich hätte Combside aus freien Stücken verlassen. Er ist ein liebenswürdiger und anständiger Mensch. Aber tatsächlich verhält es sich anders. Ich war gewillt, dort zu bleiben. Es ist eine Menge Arbeit zu erledigen, die mit den Sammlungen zusammenhängt. Aber Lady Clarke wünschte, dass ich gehen sollte! Ich kann sie bis zu einem gewissen Grad sogar verstehen. Sie ist sehr krank, und ihr Kopf ist irgendwie benommen durch die vielen Drogen, die man ihr verabfolgt. Das macht sie misstrauisch und absonderlich. Nur so ist ihre ungerechtfertigte Abneigung gegen mich zu erklären, aus welcher heraus sie kategorisch darauf bestand, dass ich ihr Haus verlassen sollte.»
    Der Mut des Mädchens erregte meine Bewunderung. Sie versuchte nicht, die Tatsachen zu beschönigen, sondern traf mit anerkennenswerter Offenheit direkt den springenden Punkt. Mein Herz schlug ihr mit ehrlicher Wärme und Sympathie entgegen.
    «Ich finde es prachtvoll von Ihnen, dass Sie uns das anvertrauen», sagte ich.
    «Es ist immer besser, wenn man die Wahrheit weiß», gab sie mit einem leisen Lächeln zurück. «Ich will mich nicht hinter Mr. Clarkes Ritterlichkeit verbergen. Und er ist wirklich ein ungewöhnlich ritterlicher Mann.»
    Sie sprach mit großer Wärme. Mr. Clarke schien Gegenstand ihrer Verehrung zu sein.
    «Sie waren sehr offen, Mademoiselle.»
    «Es war ein ziemlicher Schlag für mich», fuhr Thora Grey fort. «Ich hatte keine Ahnung, dass Lady Clarke mich hasste. Im Gegenteil! Ich glaubte immer, dass sie mich recht gut leiden mochte.» Sie zog eine kleine, schmerzliche Grimasse. «Nun, man lernt nie aus.»
    Damit erhob sie sich. «Das ist alles, was ich Ihnen noch sagen wollte. Auf Wiedersehen!»
    Ich begleitete sie die Treppe hinunter.
    «Das war hochanständig von ihr», schwärmte ich Poirot vor, als wir wieder allein waren. «Das Mädchen hat erstaunlichen Mut.»
    «Und eine gesunde Berechnungsgabe.»
    «Wie meinen Sie das?» Erbost sah ich ihn an.
    «Ich meine, dass sie vorauszusehen versteht.»
    «Sie ist ein wirklich bezauberndes Geschöpf!»
    «Und trägt bezaubernde Kleider. Dieses Crêpe-Marocain-Kleid mit dem Silberfuchskragen – Dernier Cri!»
    «Sie sind eine männliche Putzmacherin, Poirot! Ich merke mir nie, was jemand getragen hat.»
    «Dann wäre eine Nudistenkolonie das Gegebene für Sie.»
    Noch bevor ich eine passende Erwiderung parat hatte, wechselte Poirot das Thema.
    «Hastings, ich werde den Eindruck nicht los, dass schon jetzt, während unserer Unterhaltung heute Nachmittag, irgendetwas gesagt wurde, das Bedeutung hat… Das Gefühl: Dabei erinnere ich mich doch an etwas, was ich bereits einmal gehört oder gesehen habe… Aber ich komme einfach nicht darauf, was es war!»
    «Im Zusammenhang mit Churston?»
    «Nein, nicht Churston… Früher… Nun, einerlei, es wird mir sicher wieder einfallen…»
    Er sah mich an – (Vielleicht hatte ich nicht mit der letzten Aufmerksamkeit zugehört!) –, lachte und begann wieder das Soldatenlied zu summen.
    «Sie ist ein Engel, nicht wahr? Aus Eden – via Schweden.»
    «Poirot! Der Teufel soll Sie holen!»

20
     
    E s lag ein Hauch von tiefer, lastender Melancholie über Combside, als wir es zum zweiten Male sahen. Dieser Eindruck war zum Teil bestimmt dem Wetter zuzuschreiben – einem feuchten Septembertag, der bereits den Herbst ahnen ließ – und dann natürlich dem seltsam halb verschlossenen Zustand des Hauses. Die Räume des Erdgeschosses waren zugesperrt, ihre Fensterläden verriegelt, und das kleine Zimmer, in das wir geführt wurden, roch dumpf nach abgestandener Luft.
    Eine stattliche Krankenschwester trat kurz darauf energisch ein, wobei sie ihre gestärkten Manschetten herunterzog.
    «Monsieur Poirot? – Ich bin Schwester Capstick. Mr. Clarke hat mir geschrieben, dass Sie kommen werden.»
    Poirot erkundigte sich nach dem Befinden Lady Clarkes.
    «Es geht ihr halbwegs – den Umständen entsprechend.»
    «Den Umständen entsprechend» hieß wahrscheinlich: angesichts der Unheilbarkeit ihrer Krankheit.
    «Eine Besserung ist natürlich nicht mehr zu erwarten, aber gewisse neue

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