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Die Morde des Herrn ABC

Die Morde des Herrn ABC

Titel: Die Morde des Herrn ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Heilmittel verschaffen ihr doch eine erhebliche Erleichterung. Dr. Logan ist sehr zufrieden mit ihrem Zustand.»
    «Aber ist es wirklich so, dass sie sich nie mehr wird erholen können?»
    «Nun, das kann man nie mit Bestimmtheit sagen», wich Schwester Capstick dieser klaren Frage sichtlich gereizt aus.
    «Der Tod ihres Mannes muss ein schwerer Schlag für sie gewesen sein.»
    «Ja, sehen Sie, Monsieur Poirot, es war für sie wohl weniger arg als für einen Menschen, der im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte gewesen wäre – wenn Sie verstehen, wie ich es meine… In ihrem jetzigen Zustand sind die Dinge für Lady Clarke immer leicht verschleiert.»
    «Entschuldigen Sie die Frage – aber war Lady Clarke ihrem Gatten herzlich zugetan und er ihr?»
    «O ja, sie waren ein sehr glückliches Paar. Er war tief bekümmert und in Sorge um seine Frau, der arme Mann. Für einen Mediziner ist das immer besonders schlimm, wissen Sie. Ein Arzt kann sich nicht an falschen Hoffnungen aufrichten. Ich glaube, am Anfang hat ihn ihre Krankheit fast zu Boden gedrückt.»
    «Am Anfang? Und später nicht mehr?»
    «Man gewöhnt sich an alles, nicht wahr? Und dann hatte Sir Carmichael ja seine Sammlung. Ein Steckenpferd ist ein großer Trost für einen Mann. Er fuhr oft zu Auktionen, und in letzter Zeit hat er mit Miss Grey sein Museum nach einem ganz neuen System katalogisiert und umgestellt.»
    «Ja, richtig – Miss Grey. Sie ist fortgegangen, nicht wahr?»
    «Ja, und mir tut das leid. Aber Frauen bilden sich manchmal solche Dinge ein, besonders wenn sie krank sind, und da hilft kein Zureden und Begütigen. Das Klügste ist, ihnen nachzugeben. Miss Grey hat sich sehr vernünftig benommen.»
    «Hatte Lady Clarke schon immer eine Abneigung gegen sie?»
    «Nein – Abneigung kann man nicht sagen. Tatsächlich mochte sie sie zunächst sogar recht gut leiden… Aber ich sollte nicht so lange mit Ihnen schwatzen. Meine Patientin wird sich wundern, wo wir alle bleiben.»
    Sie führte uns in den oberen Stock. Aus einem ehemaligen Schlafzimmer war ein helles, freundliches Wohnzimmer gemacht worden.
    Lady Clarke saß beim Fenster in einem Lehnstuhl. Sie war unsäglich mager, und ihr Gesicht hatte den grauen, zerrütteten Ausdruck eines Menschen, der viel Schmerzen leidet. Der Blick ihrer Augen schien von weither zu kommen, und es lag Verträumtheit in ihm. Mir fiel auf, wie winzig klein ihre Pupillen waren.
    «Das ist Monsieur Poirot, den Sie zu sehen wünschten», verkündete Schwester Capstick laut und fröhlich.
    «Monsieur Poirot? Ach ja», flüsterte Lady Clarke.
    Sie streckte die Hand aus.
    «Mein Freund, Lady Clarke – Captain Hastings.»
    «Guten Tag. Zu liebenswürdig, dass Sie beide gekommen sind.»
    Eine ziellose Gebärde forderte uns zum Sitzen auf. Stille. Lady Clarke schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Doch dann raffte sie sich auf.
    «Sie kommen wegen Car, nicht wahr? Wegen Cars Tod. Ja, ich weiß…»
    Sie seufzte und schüttelte dann geistesabwesend den Kopf. «Wir haben nie daran gedacht, dass es so kommen könnte… Ich war sicher, dass ich zuerst würde gehen müssen…» Darüber dachte sie minutenlang nach. «Car war so stark, herrlich gesund für sein Alter. Nie war er krank. Er war nahezu sechzig und sah aus wie ein Fünfziger… Ja, sehr kräftig und gesund…»
    Wieder versank sie in Träumen. Poirot, der die Wirkung gewisser Drogen ganz genau kannte und wusste, dass sie das Zeitgefühl dessen, der sie einnimmt, vollkommen verzerren, blieb stumm.
    Plötzlich sprach Lady Clarke wieder.
    «Doch, es ist sehr lieb von Ihnen, dass Sie gekommen sind. Ich habe mit Franklin darüber gesprochen, und er hat also nicht vergessen, es Ihnen auszurichten. Hoffentlich verliert Franklin nicht den Kopf… Er gerät so leicht außer sich, obwohl er die halbe Welt bereist hat. Männer sind so… Sie bleiben kleine Buben… Franklin ganz besonders.»
    «Er ist ein impulsiver Mensch», stimmte Poirot ihr bei.
    «Ja – ja… Und so ritterlich. Männer sind in dieser Hinsicht manchmal komisch. Sogar Car –» Sie brach ab und schüttelte mit einer fiebrigen Ungeduld den Kopf. «Es ist alles so verwischt. Der Körper wird eine Last, Monsieur Poirot, vor allem, wenn er Mittelpunkt geworden ist. Man denkt an nichts anderes mehr, ob man nun Schmerzen hat oder nicht, und nur diese leibliche Hülle ist einem wichtig.»
    «Ich weiß, Lady Clarke. Das ist eine der Tragödien unseres Lebens.»
    «Es macht mich so

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