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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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das Gesicht, als tue ihm etwas weh. Es tut ihm aber nichts weh, er hat nur Angst, dass er das Zeichnen nicht richtig hinbekommt.
    Ich aber bin hinunter an die Mosel gegangen und habe meine Hose ausgezogen und bin mit den nackten Füßen am Ufer entlang im niedrigen Wasser auf und ab gegangen. Direkt am Ufer habe ich dann wahrhaftig einige Fische gesehen, ganz deutlich, ich habe mich herunter gebückt und sie genau angesehen, ganz genau, ganz lange, und dann habe ich sie mir gemerkt und bin hinauf zu Papa gelaufen und habe ihm von den Fischen erzählt. Papa aber hat zunächst nur stumm genickt, weil er noch zu sehr mit dem Zeichnen beschäftigt war, und als er zu Ende gezeichnet hatte, stand auch schon das Essen auf dem Tisch, und ich konnte ihm
nicht gleich von den Fischen erzählen. Auf Papas Teller lag aber ein Aal aus der Mosel mit etwas Kräutersauce und kleinen Kartoffeln, da hatte ich Glück, denn nun konnte ich Papa fragen, wie ihm der Aal schmecke, und anschließend von den Aalen am Ufer erzählen, die ich gesehen hatte.
    Der Aal
    Der Aal bewegt sich wie eine Schlange, sein Hinterteil ist immer ganz woanders als sein Vorderteil. Er ist ein sehr neugieriger Fisch, der sich kurz überall umschaut und viel mehr weiß als die meisten anderen Fische. Er schlängelt sich an den Steinen vorbei und flitzt, wenn er Angst hat, plötzlich davon.
    Papa sagte, dass er zu den leidenschaftlichen Aalessern gehöre und dass das Aalessen etwas Besonderes sei, weil es nicht viele Menschen gebe, die gern Aal essen würden. Der Aal auf seinem Teller sei nicht geräuchert, sondern gekocht, man schneide ihn in kleine Stücke und koche ihn ganz, ganz vorsichtig in einer Brühe mit vielen Kräutern und Wein. Ob ich das einmal probieren wolle? Ich schüttelte den Kopf und sagte, dass ich vielleicht irgendwann einmal auch ein leidenschaftlicher Aalesser werde, jetzt aber noch nicht, und dass ich jetzt lieber meinen Salat mit Hähnchen essen würde.
    Fragen
    Warum isst Mama nicht gerne Fisch?
    Würde Mama einen Aal essen? (Nein, ich glaube nicht.)
    Gibt es auch einen Fisch, den Mama sehr gerne isst? (Ich weiß es nicht.)

    Dann aber erzählte ich Papa noch von den Fischen in der Mosel, indem ich sie genau beschrieb, so, wie ich sie gesehen hatte, und am Ende hatten wir heraus bekommen, dass ich anscheinend einen Hecht, mehrere Aale und vielleicht sogar einen Wels gesehen hatte. Da erinnerte sich Papa aber plötzlich daran, dass er gestern in dem Buch des römischen Schriftstellers Ausonius über die Mosel auch etwas über die Fische in der Mosel gelesen hatte, deshalb holte er das Buch aus seinem Rucksack und suchte nach der richtigen Stelle und las mir diese Stelle dann vor.
     
    »Hör dir das an«, rief Papa, und dann las er ein paar Sätze, hielt an und sagte wieder »Hör dir das an!«, und dann las er die Stelle noch einmal, und so las er laufend einige Sätze, sagte »Hör doch!« oder »Na so was!« und las dann die vorgelesenen Sätze noch einmal, als habe er sie beim ersten Lesen nicht richtig verstanden. Als er die ganze Stelle über die Fische in der Mosel vorgelesen hatte, sagte er, dass es eine besonders schöne Stelle sei, weil Ausonius die Fische sehr genau beschreibe und man wirklich den Eindruck habe, dass Ausonius am Ufer der Mosel im Wasser gestanden und die Fische der Mosel mit eigenen Augen gesehen habe.
     
    Wahrhaftig hatte Ausonius zu Beginn der Stelle über die Fische der Mosel nämlich auch davon geschrieben, wie er sich über das Wasser gebeugt und in die klare Tiefe des Moselwassers geschaut und dort in der Tiefe den Sand und sogar die grünen Gräser und die leuchtenden Kiesel gesehen und dann, bei längerem Hinschauen, schließlich die Fische
entdeckt hatte: Forellen, Barben, Hechte, Welse und noch viele andere. Jeden Fisch hatte er aber einzeln beschrieben, und wahrhaftig hatte er das so genau getan, dass man die Fische nach seinen Beschreibungen hätte zeichnen können. Beim Lachs zum Beispiel hatte er den breiten Schwanz und den schuppigen Leib und den glänzenden, glatten Kopf mit den dunklen Punkten beschrieben, ich hatte zwar keinen Lachs im Wasser der Mosel gesehen, wohl aber hatte Papa früher einmal anderswo Lachse gesehen, und so behauptete er, dass Lachse genau so aussehen würden und dass man ihren glänzenden, glatten Kopf mit den dunklen Punkten nie mehr vergesse, wenn man ihn einmal gesehen habe.
    Lateinisches Wörterbuch
    Lachs - salmo
    Barsch - perca
    Aal - anguilla
    Wels - silurus
    Hecht

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