Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Hubert Haensel
    Die Eiskrieger
    Es war eine gespenstische Nacht; der Mond verbarg sein Antlitz hinter düsteren, dräuenden Wolkenfetzen, und nur hin und wieder fielen seine Strahlen auf die Welt und tauchten sie in ein eisiges Licht, das nach den Herzen der Menschen griff und sie frösteln ließ. Ein kalter Wind wehte von Norden her, brachte Schnee und winzige Eiskristalle mit sich. Schaurig brach sich sein Heulen an den Langsteinen, zwischen denen vermummte Gestalten verharrten, den Blick andächtig nach Süden gerichtet, wo in weiter Ferne die Schattenzone wartete.
    Stong-nil-lumen…
    Steine, so alt wie die Welt, Sinnbild für das Unvergängliche, das ewig Bestehende – weder Wind noch Wasser oder Feuer konnte ihnen etwas anhaben. Magie hatte sie geformt; Magie wohnte ihnen inne.
    Schwarze Magie!
    Sie hatte die Mächte des Lichtes ins Gegenteil verkehrt, sogar Töte zu neuem Leben erweckt und die Heerscharen des Nordens vernichtend geschlagen. Der Tag der Wintersonnenwende hatte Geschichte geschrieben. Das Böse schickte sich an, wieder nach der Herrschaft zu greifen.
    In stong-nil-lumen war es Cherzoon, der die Macht darstellte. Der Dämon manifestierte sich in dem Opferstein im Mittelpunkt der hufeisenförmig angeordneten Megalithe.
    Eine Stimme hallte über das Land, lautlos, doch für jeden der anwesenden Priester hörbar. Drudin! rief sie, war fordernd und unerbittlich zugleich.
    Auf der von Poren durchsetzten Fläche des schwarzen Steines entstand ein Gesicht. Es war eines von unzähligen, die der Dämon an sich gerissen hatte. Drudin kam und breitete mit einer unterwürfigen Geste die Arme aus. Wie er so dastand, regungslos, schweigend, wirkte er wie aus Stein gemeißelt. Nur die Maske, die er trug, schien in einem irrlichternden Feuer zu glühen.
    »Du zweifelst an meiner Allmacht«, flüsterte Cherzoon.
    Der Priester ließ die Arme sinken, während ein lautes Gelächter durch seinen Schädel tobte.
    »Es dauert dir zu lange, bis erneut Ereignisse von umfassender Bedeutung geschehen. Dabei liegt die Schlacht von Dhuannin erst wenige Tage in der Vergangenheit.«
    »Das Hochmoor kann nur ein erster Schritt gewesen sein, um die Kraft der Schwarzen Magie über die ganze Welt auszudehnen…«
    »Sollen wir ungeduldig werden, nur weil ein paar Monde ins Land ziehen? Du bist sterblich, Drudin – und kein Sterblicher wird die Vorbereitungen verstehen, die getroffen werden müssen.«
    Der Priester zitterte unter der Schärfe, die in diesen Worten lag.
    »Aber du hast recht«, fuhr Cherzoon fort und wechselte dabei die Gesichter in rascher Folge. »Wir werden nicht länger in stong-nil-lumen verweilen.«
    »Wir…?« machte Drudin verständnislos.
    Das letzte Antlitz verschwand, der Opferstein überzog sich wieder mit einer Schwärze, die nur mit jener der Schattenzone zu vergleichen war. Ich, klang es wie Donnerhall auf, zwischen den Megalithen zum ohrenbetäubenden Tosen eines Orkans verstärkt und schließlich in vielfachem Echo verstummend, werde selbst in den Kampf ziehen.
    Am Tag blieb die Sonne hinter schwarzen Nebeln verborgen, bei Nacht grinste der bleiche Vollmond gleich einer Dämonenfratze durch die langsam dahintreibenden Wolkenschleier. Manchmal zeigte sich ein fernes Aufblitzen am Horizont – die glühende Spur eines fallenden Himmelssteins.
    Die Tage waren lang, es wurde nur selten gerastet. Dennoch blieb das Gefühl, kaum vorwärts zu kommen. Auf Dauer wirkte das Trompeten der Mammuts, das gleichmäßige Stampfen ihrer Beine zermürbend. Keiner von uns wusste, wohin wir den Transport begleiten sollten. Es gab so viele Meinungen wie Krieger – und das waren Hunderte. Die Städte Caer und Fordmore erschienen mir noch am vielversprechendsten.
    »Hörst du das?«
    Ich hatte Tramin nicht kommen sehen. Er ritt plötzlich neben mir, und seine Haltung drückte Unbehagen aus. Unstet wanderte sein Blick, suchte die Düsternis vor uns zu durchdringen.
    »Bei Caer, ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete ich.
    Der Krieger sah mich nachdenklich an. Wir kannten uns seit vielen Sommern, waren miteinander aufgewachsen – in Weirdale, das unweit der Elvenbrücke lag – und wussten daher recht gut zu deuten, was der andere fühlte. Tramin griff nach dem Langschwert, das er am Sattel seines Pferdes befestigt hatte.
    Wir gehörten beide zum inneren Wachgürtel und ritten fast auf Tuchfühlung neben den Mammuts. Immer wieder musste ich mich fragen, weshalb Drudin den Transport mit so vielen Kriegern umgab.

Weitere Kostenlose Bücher