Die Münze im Becher (German Edition)
hätte noch Durst.
»Wollen wir zu dem Weinschenk zurück, von dem wir vorhin den Wein gekauft haben?«, fragte Falko.
»Damit du bei seiner Magd wieder was zu schauen hast, was?«, spottete Lisa und wies dann auf einen anderen Stand. »Dort gibt es auch Wein und gleich daneben etwas für deine Augen!«
Den Weinstand entdeckte Falko sofort. Doch was der andere Stand sein sollte, begriff er nicht, bestand dieser doch nur aus einem Schemel und einem kleinen Klapptisch, auf dem keinerlei Ware lag. Ein junger Mann saß auf dem Schemel und hielt drei kleine Lederbecher in der Hand, während ein Mädchen an der Schwelle zur Frau um ihn herumtänzelte und versuchte, die Aufmerksamkeit der Jahrmarktbesucher auf sich zu lenken. Da ihr Kleid an den Waden endete und der Ausschnitt ihres Hemdes noch aufreizender war als jener der Magd des anderen Weinhändlers, nahm Falko an, die beiden würden zu diesem Weinstand gehören.
Er musterte die junge Frau und fand, dass er selten ein schöneres Weib gesehen hatte. Obwohl sie sichtlich einfachen Standes war, bewegte sie sich mit einer grazilen Eleganz, um die sie jedes Edelfräulein beneiden musste. Da er seine Blicke nicht von ihr lösen konnte, stolperte er und stieß gegen Lisa.
»Kannst du nicht achtgeben?«, wies diese ihn zurecht.
»Doch, doch!« Ohne sich weiter um seine Schwester zu kümmern, ging Falko weiter, ohne den Weinstand zu beachten.
Lisa eilte ihm nach und hielt ihn fest. »Wolltest du uns nichts zu trinken kaufen?«
»Doch, doch!«, wiederholte Falko und entnahm seinem Geldbeutel ein paar Münzen.
»Hier, das wird wohl für ein paar Becher Wein reichen!« Dann schob er sich durch die Zuschauer in die Nähe der schönen Frau und sah bewundernd zu, wie sie mit anmutigen Schritten tanzte. Noch sagte sie nichts, doch nach einem Blickwechsel mit dem Mann am Klapptisch klatschte sie in die Hände.
»Kommt herbei, werte Freunde, und versucht euer Glück! Wer zu erraten weiß, wo sich die Münze im Becher befindet, darf sie behalten. Es ist ein ganzer Schilling im Wert von zwölf Pfennigen. Jeder kann mitmachen! Es kostet euch nur drei Pfennige Einsatz. Kommt und beweist, dass euer Auge schneller blickt, als Meister Damian die Becher tanzen lassen kann.«
Um zu zeigen, wie es ging, stellte der Mann die drei Lederbecher kopfüber auf den Klapptisch. Danach wies er den besagten Schilling vor, legte diesen unter einen der Becher und schob diese mit raschen Bewegungen hin und her. Trotzdem glaubte Falko zu wissen, unter welchem sich die Münze befand. Er trat näher und wollte schon die drei Pfennige aus seinem Beutel holen, als die junge Frau einen Mönch ansprach, der eben des Weges kam.
»Was ist, frommer Bruder? Wollt Ihr nicht Euer Glück versuchen? Ihr erhaltet einen ganzen Schilling dafür!«
»Bleib mir damit vom Leib! Spielen ist des Teufels«, wehrte der Mönch ab und wollte weitergehen. Die Frau hielt ihn jedoch am Ärmel fest und zog ihn zu dem Tisch.
»Es kostet Euch doch nichts, frommer Bruder. Daher versucht Ihr auch nicht Gott. Wenn Ihr den richtigen Becher nennt, ist der Schilling Euer. Seht ihn dann als Spende an.«
»Nun, wenn das so ist, kann ich es versuchen«, antwortete der Mönch zögernd.
Der Spieler zeigte den umstehenden Leuten noch einmal den Schilling zu zwölf Pfennigen, steckte ihn anschließend wieder unter einen der Becher und fuhrwerkte mit diesen hin und her. Diesmal fiel es Falko schwerer, den richtigen Becher im Blick zu behalten. Doch als die Becher wieder ruhig standen, deutete der Mönch genau auf den, den auch er gewählt hätte.
»Das muss er sein!«
»Dann wollen wir nachsehen!«
Während der Spieler seine Hände weit von sich streckte, um zu zeigen, dass er nicht mehr eingreifen würde, hob seine Helferin den genannten Becher auf und siehe da, der Schilling lag darunter.
»Ihr habt gewonnen, frommer Bruder!«, rief sie. »Die Münze im Becher ist Euer. Wer wagt es nun und setzt drei Pfennige? Gibt es keine mutigen Männer mehr im Frankenland und keine Weiber mit flinken Augen?«
Die junge Frau blickte auffordernd in die Runde. Während sich mehrere Bürgerinnen mit einem verächtlichen Schnauben abwandten, drängten andere Leute nach vorne, um die Münze zu gewinnen. Da Falko mehr auf die Helferin des Spielers als auf diesen selbst achtete, wurde er von den anderen abgedrängt und musste sich gedulden.
»Halt!«, rief die junge Frau. »Es kann immer nur einer sein Glück versuchen. Bei mehreren würde jeder auf
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