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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Sternschnuppe am Himmel, und sein Wunsch, einen Wonnemonat erleben zu dürfen, ging in Erfüllung? Ein Tag ohne überabergläubischen Blick in die Zukunft war ein Tag, an dem eine Unzahl schrecklicher Gefahren drohte.
    Und heute, an diesem ganz besonderen Tag, drohte eine von diesen unzähligen Gefahren dort hinten in der Brückenechsenstraße – nur ein paar hundert Meter weiter, nur wenige Minuten entfernt.
    Alles war ganz genau so, wie es der Oberauspizient des Ressorts ›Haustiere und andere Unglücksboten‹ gestern nachmittag (bei einem kleinen Umtrunk mit Avocado con Chili) vorhergesehen hatte. Und alle, die heute morgen den Axolotischen Vorboten gelesen hatten, kannten jede Einzelheit seiner Vorhersage und wußten Bescheid. Nur Quintzi war vollkommen ahnungslos.
    Zitternd blickte er die Brückenechsenstraße hinauf und hinunter. Es gab keine andere Möglichkeit, er mußte es wagen. Es war vorbestimmt, daß hier schon bald etwas Schlimmes geschehen sollte. Aber wie bald? Und wie schlimm? Wieder warf er einen Blick auf seine Armbandsonnenuhr. Ihm blieb nur eines, wenn er es noch rechtzeitig zu den Auguralien schaffen wollte: losrennen. Mit Volldampf. Auf der Stelle.
    Hätte Quintzi gewußt, daß in einem Busch nur wenige Meter vor ihm in eine Schwarzsichtige Übelunke [1] lauerte, dann hätte er möglicherweise nicht ganz so überstürzt gehandelt. Er kniete im Straßenstaub nieder, grub die Finger in den Sand, machte den Rücken krumm, holte tief Luft und spurtete los … Das heißt, er legte etwas vor, das von den etwas flinkeren Fortbewegungsarten, die er in den letzen drei Dekaden noch hingekriegt hatte, am ehesten einem Spurt gleichkam.
    Zahllose entsetzte Gesichter spähten aus den günstig an der Straße gelegenen Hauseingängen, und zahllose Kinnladen fielen herunter, als Quintzi arthritisch in sein sicheres Verderben watschelte. Mit schreckensstarren Augen wartete jeder auf das bevorstehende Erscheinen der warzigen Plage, wobei jeder nur allzugenau wußte, welche Katastrophe über ihn und seine Nachkommen mütterlicherseits bis ins siebte Glied kommen würde, sollte die Prophezeiung auch nur um eine Winzigkeit danebenliegen.
    Ein kleiner Busch raschelte, eine gespaltene schwarze Zunge wurde sichtbar.
    Tausendfach stiegen jetzt Lobespreisungen zum Himmel, die im Verborgenen ausharrenden Axolotianer dankten dem Chefredakteur des Axolotischen Vorboten dafür, daß er sie durch seine Warnungen vor drohender Gefahr bewahrt hatte.
    Wieder raschelte der kleine Busch, und die Schwarzsichtige Übelunke trat, akkompagniert von einem vielstimmigen Chor (erschrocken angehaltener Atem einerseits und Quintzis immer lauter vernehmliche Socken andererseits) ans Licht der Sonne. Und gerade als der Froschlurch rückwärts ins Freie watschelte, schleuderte eine von Panik erfaßte Gestalt mit Karacho um die Ecke und raste geradewegs auf ihn zu.
    Quintzi schrie, als er die verdammte Kröte sah, legte krachend den Rückwärtsgang ein und kam kreischend und jaulend in einer Staubwolke zum Stehen. Die Gesamtzahl dessen, was der heutige Tag an Möglichkeiten bereithielt, reduzierte sich in diesem einen Augenblick sprunghaft von unendlich auf zwei. Er konnte jetzt entweder den einmal eingeschlagenen, mittlerweile todsicher ins Verderben führenden Weg fortsetzen und Mitte nächster Woche qualvoll und von jedermann gemieden sterben oder auf Händen und Füßen nach Hause kriechen, dort rückwärts in die Badewanne steigen und sich anschließend, zur Abwehr des Bösen mit den leuchtend roten Blüten der mexikanischen Purgierwinde behängt, noch einmal auf den Weg machen … Mit dieser zweiten Möglichkeit war sichergestellt, daß er bis an sein Lebensende ein dankbares Objekt für zahllose Prophetenwitze abgeben würde.
    Genau in diesem Moment erscholl vor den etwa einen Spalt breit geöffneten Türen ein schrilles Pfeifkonzert: Entwarnung! Die Menschen strömten auf die Straße, die Gefahr war abgewendet, war fest und sicher auf Quintzi abgewälzt. Sein Problem. Der gewohnte Rummel konnte wieder beginnen und weitergehen.
    Quintzi wand sich elendiglich in Straßenstaub und kroch erbärmlich davon, robbte die halbe Meile bis zu seiner Bruchbude in der Wühlechsengasse. Was das für seinen blaugoldenen astrologischen Lieblingspyjama bedeutete, daran mochte er gar nicht denken.
     
    Es war zweifellos das kälteste und hektischste Bad, das Quintzi Cohatl jemals genommen hatte. Aber schließlich war alles eine Frage der

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