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Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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die Freunde kamen erst an der Häusergruppe an, da wieder der Mond, aber nun ein abnehmender, über derselben stand, und den fahlgrauen Schimmer auf die Dächer legte, da der Staubbach wieder Diamanten warf, und die Gräser Perlen hielten. Auch in der Pernitz rührte sich das zerflossene Silber, und auf dem Waldlaube stand der ruhige feste Glanz; aber alle Fenster des ganzen Hauses waren schwarz, die Ruhe der Bewohner zeigend. Zwei davon, die allein in einem matten Glimmer des Mondes schillerten, deckten das Gemach, in welchem der schlummernde Athem Anna's ging. Heinrich stieg ab, und pochte leise mit dem hölzernen Hammer an das Thor, Robert aber ließ seinen Wagen umwenden, um noch in der Nacht seine Heimath zu gewinnen und die harrende Thrine zu beruhigen.
    Der Wagen war an der Steinwand des Julius verschwunden; auch vernahm man sein fernes Rollen nicht mehr. Der Knecht der grünen Fichtau, der das leise Pochen gehört, und auf Befragen die Stimme Heinrichs erkannt hatte, hatte ihn eingelassen, - und so war wieder Alles, was der heutige Tag gesehen, die lustigen Sonntagsgäste der grünen Fichtau, der närrische Erasmus, die zwei Wanderer, die Bewohner jenes Berges, und das in seiner Liebe befangene Herz, in denselben weiten, lichtdämmernden, schlummerbringenden Mantel der Nacht gehüllt, und seinen Träumen überliefert.
    Wir aber lassen sie schlummern und träumen, und schwingen uns indessen in die glänzende Luft hinauf, um aus ihr auf das ganze Bauwerk der Gebirge niederzuschauen. Todt liegt es unten weit hinaus, und zeigt die schwarzen Spitzen gegen den Glanz hinauf, an denen sich nicht ein einziges Atom rührt, nur daß an den Wänden glitzernde Fäden niederrinnen, und auf den nassen Bergen hie und da ein blitzender Mondfunke harrt. Der Orion ist schon tief geneigt, und löscht bereits seine ersten Sterne an dem schwarzen Gebirgsrande aus - ein anderer Stern, ehe er völlig untergeht, blitzt noch so lebhaft, als sollte man in der Stille sein Knistern hören können - der halbe Mond aber steht noch hoch am Himmel, und übergießt ihn mit dem Flore seines milchigen Lichtes, jedes Sternlein in seiner Nähe vertilgend. Alles, was unser Blick überschauen kann, von der Kette angefangen, die unter dem blitzenden Sterne ihren Schattenriß gegen den Himmel legt, über alle Höhen und Hügel herüber, auf denen jetzt die mattfärbigen Felsen ragen, oder die feuchten Wälder stehen, Alles dieses bis zu den schweigenden Zacken draußen, die die letzten das Licht des Mondes auffangen, - Alles, was wir so übersehen, steht unter den Fittigen jenes Schlosses, das wir heute mit den zwei Freunden besucht haben, und alle Wesen, die jetzt da unten schlummern und träumen, erwarten von ihm ihr Wohl oder Wehe. Wir aber wünschen von Herzen, daß sie sämmtlich unter die Obhut des sanften freundlichen Mannes gelangen mögen, der heute in jenem Mauerwerke gewesen, und schon so lange mit Bewunderung zwischen diesen grünen Bergen herumgegangen ist. Er ist einfach und milde, und wird eine leichte und hülfreiche Hand über ihre Häupter strecken. Wir aber verlassen nun auch unsere Höhe und lassen den Rest der Nacht ungesehen und unempfunden über die stummen Berge hinweggehen, bis ihr letzter Silberschein weit draußen im Westen erblasset, und die goldene Flamme des Morgens über ihre Häupter hereinschlägt, alle Stimmen, die jetzt schweigen, zu neuen Freudenrufen erweckend, und alle Leben, die jetzt todt sind, zu neuem Wogen und Wallen geleitend.
    Als nun dieser Morgen angebrochen war, finden wir Heinrich in seinem Zimmer bereits aufgestanden und angezogen. - Er beschäftigte sich, indessen draußen die feurigen Goldströme um alle Hütten spielten, damit, daß er Pflanzen und Mineralien in flache Kisten packte, und wie eine fertig war, den Deckel anschraubte, und ihn mit einer Aufschrift versah. So that er fast den ganzen Tag. Und wie oft er indessen an das Fenster gegangen, ja selbst den Garten durchstreift hatte, so hatte er doch Anna nicht zu sehen bekommen; es war fast, als wiche ihm das Mädchen aus. Nur gegen Abend, als man ihn über den Steg und dann die Grahnswiese emporgehen sah, lauschte ihr Angesicht zwischen den weißen Vorhängen ihres Fensters heraus, und sah ihm nach, so lange er zu erblicken war. In der Dämmerung kam er wieder zurück, und der große Wirthshund ging mit ihm, weil er ihn oben am Hage gefunden hatte, und ihm überhaupt sehr zugethan war. Die Thiere kennen gute Menschen, und gesellen sich zu

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