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Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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denen, die ihnen wohlwollen.
    So verging auch der andere Tag und der nächste wieder. Mittwochs aber, da er eben über seine Gassenstiege herabgegangen war, um später sein Mittagsmahl zu nehmen, lief Anna hochroth aus dem Gassengärtchen herbei, und sagte zu ihm: »Seit Morgen liegt schon ein Brief an euch in des Vaters Stube; Thrinens Syndicus hat ihn mit einem eigenen Boten gesendet.«
    Heinrich entfärbte sich bei dieser Nachricht, und Beide, ohne sonst ein einzig Wort zu sagen, gingen wieder auseinander.
    Der Brief aber war von Heinrichs Mutter. Zitternd entfaltete er ihn, und las, wie folgt: »Lieber Sohn! Du schreibst ohnedem so selten, und dann wieder so kurz, daß wir nicht wissen, wie es dir geht, oder was dir fehlt, damit wir es dir schicken. Und vonwegen du geschrieben, so läßt dich der Herr Pfarrer grüßen, und dir sagen, daß es wirklich in der Traumatrikel der Kirche zu Grünberg steht, daß dein Urgroßvater Melchior im Jahre Christi 1719 mit der tugendhaften Jungfrau Angelica Scharnast ehelich copulirt worden ist, welche die Tochter des Obristen Julius Scharnast gewesen ist. Der Obrist aber war gar ein Graf gewesen, ehe er gekommen ist, aber das steht nicht darinnen, sondern wenn du es wissen willst, wie sich Alles begeben hat, so meint der Herr Pfarrer, dieses werde im Amte zu Grünberg aufgeschrieben sein, und daß du es dir sollst aufschlagen lassen. Oder wenn es nicht aufgeschrieben ist, so hat schon der vorvorige Syndicus zu deinem Vater gesagt, daß verschlossene Schriften von dem Obrist im Amtsgewölbe liegen, aber es ist wieder Alles beim Alten geblieben. Wenn es zu deinem Fortkommen dienlich ist, so komme lieber selber, und sehe Alles an. Deine Schwester ist wieder sehr krank gewesen, nun aber schon besser. Die Kiste mit den Kräutern haben wir an den Boten abgegeben, aber es wäre uns lieber, wenn du doch etwas Anderes thätest, und dich zu etwas Anderm wendetest, allein du wirst es schon selbst am besten verstehen. Ich grüße dich mit meinem ganzen Mutterherzen, die Schwester grüßt dich auch, und so behüte dich Gott, und ich bleibe deine treue Mutter, Magdalena.«
    Heinrich legte den Brief wieder zusammen, und war er bei dessen Entfaltung blaß gewesen, so wurde er nun nach dessen Lesung flammend roth. Es wären fast Thränen der Rührung über die guten einfältigen Worte der Mutter hervorgebrochen - aber er hatte jetzt nicht Zeit, sondern mit äußerster Hast lief er wieder in seine Stube, packte noch in Eile Alles zusammen, was herum lag, und versah es mit Aufschriften, daß es der Boten-Simon am künftigen Montage mit sich fortnehme; den Koffer mit seinen Kleidern gab er einem Schubkarrenführer aus der Fichtau, daß er ihn sogleich zu Robert nach Priglitz bringe, dann verzehrte er einige Bissen von seinem Mittagsessen, ohne daß sie ihm sonderlich schmecken wollten. Da Alles dieses geschehen, ging er zu Erasmus, der mit den Seinigen am Gartentische noch beim Mittagsmahle saß, um seine Rechnung zu berichtigen und Abschied zu nehmen. - Erasmus brachte bald auf einem Täfelchen die Rechnung, strich das erlegte Geld ein, und versprach, daß jede Kiste mit dem Boten-Simon pünktlich und am rechten Orte eintreffen solle. Heinrich reichte dem Vater und der Mutter die Hand; zu Anna sagte er bloß die Worte: »Lebt recht wohl, Jungfrau!« - sie sagte auch kein einziges Wort als: »Lebt recht wohl!« - dann wendete er sich um, und ging fort.
    »Es ist im Grunde doch ein recht kerngutherziger Mensch,« sagte Vater Erasmus, und alle drei aßen sie fast traurig an ihrem Mittagsmahle weiter.
    Am andern Tage kam durch einen Holzknecht die Nachricht von Priglitz, daß Heinrich und Robert abgereiset wären, man weiß nicht wohin. Die Sache bestätigte sich auch, indem noch desselben Tages Thrine sammt ihrem Kinde zu ihrem Vater, dem Schmiede in die Fichtau auf Besuch kam, und über eine Woche blieb. Auch sie wußte nichts über das Ziel der Reise. Endlich fuhr sie wieder nach Hause.
Ein Tag um den andern verging, ohne daß die Männer zurückkehrten, eine Woche nach der andern verging. Als aber endlich Robert allein zurückkam, so kam mit ihm zugleich eine Nachricht mit, die wie ein Lauffeuer von Land zu Land lief, von einem Berge der Fichtau zum andern, und die in Anna's verborgenem Herzen einen ganzen Sturm von Freude und einen fürchterlichen Schreck emporjagte.
     

3. Der rothe Stein
     
    Während nicht nur in der Fichtau, sondern im ganzen Lande noch ein außerordentliches Geschrei über

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