Die Nebel von Avalon
schlafen, sondern in einem Pavillon am Waldrand. Ein Bote soll Lancelot berichten, daß Gwenhwyfar gekommen ist und ihn erwartet. Und dann wird er in der Dunkelheit zu dir eilen. Mehr als das kann ich nicht tun… du mußt ihn empfangen…«
»Und er wird mich für Gwenhwyfar halten…«, sie blinzelte und schluckte hart. »Ja, dann…«
»Er wird dich vielleicht eine Weile für Gwenhwyfar halten«, sagte Morgaine bestimmt. »Aber er wird den Unterschied schnell genug feststellen. Du bist doch noch unberührt, Elaine?« Sie wurde dunkelrot und nickte. »Nach dem Trank, den er heute abend zu sich nimmt, wird er sich nicht beherrschen können«, fuhr Morgaine fort. »Es sei denn, du gerätst in Furcht und versuchst, ihn zu vertreiben… ich warne dich,
es
wird kein wirklich großer Genuß, denn du bist noch Jungfrau. Und wenn ich erst einmal angefangen habe, gibt es kein Zurück mehr. Also laß mich jetzt wissen, ob ich beginnen soll?«
»Ich will Lancelot zum Mann haben. Gott behüte, daß mir Bedenken kommen, ehe ich in allen Ehren mit ihm verheiratet bin.«
Morgaine seufzte. »So sei es… Du weißt, welches Duftwasser Gwenhwyfar benutzt…«
»Ja, aber ich mag es nicht. Es ist zu schwer.«
Morgaine nickte. »Ich stellte es für sie zusammen… du weißt, ich habe solche Dinge gelernt. Wenn du dich in der Kate schlafen legst, wirst du dich und die Bettwäsche damit besprengen. Dann muß er unwillkürlich an Gwenhwyfar denken, und die Erinnerung wird ihn erregen…«
Die junge Frau rümpfte mißbilligend die Nase. »Es erscheint mir hinterlistig…«
»Es
ist
hinterlistig«, sagte Morgaine mit Nachdruck. »Halte dir das klar vor Augen. Was wir tun, ist unehrlich, Elaine. Aber es hat auch etwas für sich. Artus' Reich zerfällt, wenn der König als Hahnrei verschrien ist. Du und Gwenhwyfar, ihr beide ähnelt euch sehr. Wenn du erst einmal verheiratet bist, wird man es so darstellen, daß Lancelot dich die ganze Zeit über geliebt hat.« Sie gab Elaine das Fläschchen mit dem Duftwasser. »Kannst du einem der Diener vertrauen? Dann befiehl ihm, den Pavillon an einer Stelle aufzubauen, wo sie Lancelot nicht sieht…«
Elaine antwortete: »Ich bin sicher, selbst der Priester würde es billigen, denn ich verhindere, daß er weiterhin Ehebruch betreibt. Ich bin nicht verheiratet…«
Morgaine spürte, daß sie dünn und gezwungen lächelte. »Gut für dich, wenn du dein Gewissen damit beruhigen kannst… manche Christenpriester behaupten, der Zweck heilige jedes Mittel…«
Ihr fiel wieder ein, daß auch Viviane sie rücksichtslos zum Alten Volk geschickt hatte, um für Artus' die Rolle der Göttin zu übernehmen. Hatte sie gesehen, daß Artus nie einen anderen Sohn haben würde?
Ihr wurde bewußt, daß Elaine immer noch wie ein kleines Mädchen vor ihr stand, dem man eine Lektion erteilt. »Nun geh, Elaine«, sagte sie. »Geh und schicke Lancelot einen weiteren Tag auf die Jagd nach dem Drachen. Ich muß den Trank vorbereiten…«
Sie beobachtete die beiden, die beim Frühstück Becher und Teller teilten. Lancelot mochte Elaine –
er mag sie, wie er vielleicht einen niedlichen kleinen Hund mögen würde,
dachte Morgaine.
Er wird sie nicht
schlecht behandeln, wenn sie verheiratet sind…
Viviane war ebenso rücksichtslos gewesen. Sie hatte ohne Bedenken den Bruder in das Bett der eigenen Schwester geschickt… Die Erinnerung schmerzte Morgaine wie ein weher Zahn. Auch dies geschah zum Wohl des Reichs, dachte sie. Während sie die Kräuter und Wurzeln sammelte, die sie in Wein legen wollte, um ihren Trank zu gewinnen, versuchte sie, ein Gebet an die Göttin zu richten, denn sie vereinigte Mann und Frau in Liebe oder auch nur in Lust wie brünstige Tiere.
Oh, Göttin, ich kenne die Lust nur zu gut,
dachte sie und zwang ihre Hände ruhig zu sein, während sie die Kräuter zerrieb und in den Wein streute,
ich habe sein Verlangen erlebt, obwohl er mir verweigerte, was ich von ihm wollte…
Sie beobachtete das siedende Gemisch. Im Kessel stiegen kleine Blasen auf, barsten träge und verbreiteten bittersüße Düfte, die den Raum erfüllten. Die Welt wirkte klein und fern, der Kessel war ein Kinderspielzeug, und jede Blase, die im Wein aufstieg, war groß genug, um sich darin davontragen zu lassen… ihr Körper schmerzte vor einem Verlangen, von dem sie wußte, daß es nie gestillt werden würde. Morgaine spürte, daß sie in einen Zustand geriet, in dem machtvolle Zauberkräfte sich entfalten konnten… Sie
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