Die Nebel von Avalon
errötete.
Inzwischen waren alle in der Kirche. Die Türen wurden geschlossen.
»Es regnet wieder stärker… Lady Morgaine, Ihr werdet bald durchnäßt sein und Euch erkälten. Ihr müßt zurück. Aber wollt Ihr beim Ehrenmahl heute neben mir sitzen?«
Sie lächelte zögernd. Ganz sicher würden Artus und Gwenhwyfar an diesem Tag sie nicht an der Hohen Tafel vermissen.
Gwenhwyfar kann nicht vergessen haben, wie sie Meleagrants Lust zum Opfer fiel… sie will mich anklagen und hat selbst Trost in den Armen des besten Freundes ihres Gemahls gesucht? Oh, nein! Es war nicht Vergewaltigung… nichts dergleichen. Trotzdem, ich wurde dem Gehörnten übergeben, ohne daß jemand mich gefragt hätte, ob ich das auch will… nicht Lust hat mich mit meinem Bruder zusammengebracht, sondern Gehorsam gegenüber dem Willen der Göttin…
Accolon wartete immer noch auf ihre Antwort und sah sie erwartungsvoll an.
Wenn ich es wollte, würde er mich küssen. Er würde mich um die Gunst einer einzigen Berührung anflehen
… Sie wußte es, und die Vorstellung war Balsam auf ihren verwundeten Stolz. Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihn verwirrte.
»Gern, wenn wir weit genug entfernt von Eurem Vater sitzen können.«
Und plötzlich durchzuckte es sie: So hatte Artus sie angesehen.
Davor also fürchtete sich Gwenhwyfar! Sie weiß, was ich bisher nicht wußte: Ich muß nur die Hand ausstrecken, und Artus wird alles in den Wind schlagen, was sie sagt. Er liebt mich mehr als sie. Ich liebe Artus nur als meinen Bruder, aber das weiß sie nicht. Sie fürchtet, ich würde ihn verzaubern und durch die geheimen Künste von Avalon wieder in mein Bett locken.
»Ich bitte Euch, geht hinein und… kleidet Euch um«, sagte Accolon besorgt. Morgaine lächelte ihn an und drückte seine Hand.
»Wir sehen uns an der Tafel.«
Gwenhwyfar saß während des Hochamts in sich gekehrt auf ihrem Platz und versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. Der Erzbischof
hielt die übliche Pfingstpredigt und sprach von der Ausgießung des Heiligen Geistes. Und sie dachte:
Wenn Artus schließlich doch alle seine Sünden bereut und ein Christ geworden ist, muß ich dem Heiligen Geist danken, daß er heute über uns beide gekommen ist.
Verstohlen betastete sie ihren Leib. Sie hatten heute beisammen gelegen, vielleicht würde sie an Lichtmeß den Thronerben auf dem Arm halten… sie blickte hinüber zu Lancelot, der neben Elaine kniete. Eifersüchtig bemerkte sie, daß Elaines Leib sich bereits wieder wölbte… noch ein Sohn oder diesmal eine Tochter.
Jetzt brüstet sich Elaine mit dem Mann, den ich so lange geliebt habe, und mit dem Sohn, den ich hätte bekommen sollen… ich muß den Kopf noch eine Zeitlang in Demut neigen und bescheiden sein. Es wird mir nicht schwerfallen vorzugeben, daß ihr Sohn einst Artus auf den Thron folgt. .. Oh, was bin ich für eine sündige Frau. Ich habe Artus geheißen, er muß seinen Stolz bezwingen und bin selbst voller Hochmut.
Wie immer an Pfingsten war die Kirche auch heute überfüllt. König Artus wirkte blaß und niedergeschlagen. Er hatte mit dem Bischof gesprochen, aber vor dem Hochamt konnten sie nicht ausführlich miteinander reden. Er kniete neben Gwenhwyfar, und sie hatte das Gefühl, er sei ein Fremder – noch mehr ein Fremder als damals vor der Brautnacht, als das Entsetzen vor dem Unbekannten sie quälte.
Ich hätte mich mit Morgaine nicht überwerfen sollen… Warum nur fühle ich mich schuldig? Morgaine hat gesündigt. .. ich habe doch meine Sünden bereut, sie gebeichtet und bin losgesprochen worden. ..
Morgaine fehlte in der Kirche. Sicher besaß sie nicht die Stirn, sündig am Gottesdienst teilzunehmen, nachdem sie als… blutschänderische, heidnische Hexe und Zauberin entlarvt worden war. Die Messe schien kein Ende zu nehmen. Aber endlich erteilte der Erzbischof den Segen, und die Gläubigen verließen das Gotteshaus. Für einen Augenblick traf sie im Gedränge auf Elaine und Lancelot. Der Ritter hatte den Arm schützend um Elaine gelegt, damit sie nicht gestoßen wurde. Gwenhwyfar hob den Kopf, damit sie nicht auf Elaines Leib sehen mußte.
»Es ist lange her, seit wir Euch zum letzten Mal auf Camelot gesehen haben«, sagte Gwenhwyfar.
»Es gibt soviel zu tun im Norden«, erwiderte Lancelot.
»Ich hoffe, nicht noch mehr Drachen?« fragte Artus.
»Gott sei Dank, nein«, erwiderte Lancelot lächelnd. »Mein erster Drache war vermutlich auch mein letzter… Gott möge verzeihen, daß ich mich über
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