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Judith

Judith

Titel: Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Prolog
    Judith Revedoune sah von dem Folianten auf und starrte zu ihrem Vater hinüber. Helen, ihre Mutter, saß neben ihr, aber Judith hätte auch allein keine Angst vor dem Mann gehabt, der ihr Vater war und der in all den Jahren alles getan hatte, um ihr Furcht einzuflößen. Seine Augen waren rot umrändert und lagen tief in den Höhlen. Judith wußte, daß die Trauer über den Tod seiner geliebten Söhne sein Gesicht grimmig und finster gemacht hatte. Zwei Söhne, die unbeherrschte und grausame Männer gewesen waren — Ebenbilder ihres Vaters.
    Judith betrachtete Robert Revedoune eher neugierig als ängstlich. Er hatte sich nie viel um seine einzige Tochter gekümmert. Er hatte für Frauen nichts mehr übrig, seit seine erste Gemahlin gestorben war und seine zweite, die vor ihm zitterte, ihm nur eine Tochter geschenkt hatte.
    »Was willst du von mir? « fragte Judith ruhig.
    Robert musterte seine Tochter, als sähe er sie zum ersten Mal. Das Mädchen war in aller Abgeschiedenheit aufgewachsen, in den ihr und der Mutter zugeteilten Räumen, zwischen ihren Büchern und Stickrahmen.
    Zufrieden stellte er jetzt fest, daß sie aussah wie Helen, als diese so jung gewesen war. Judith hatte auch diese merkwürdigen Augen. Goldfarbene Augen, die manche Männer ganz verrückt machen konnten. Er fand sie eher beunruhigend. Judith hatte schweres kastanienbraunes Haar. Ihre Stirn war hoch, drückte Klugheit und Energie aus, wie ihr Kinn. Ihre Nase war gerade, und ihre Lippen üppig.
    Ja, sie ist genau richtig dafür, dachte er. Er konnte ihre Schönheit für sich ausnutzen.
    »Du bist das einzige Kind, das ich noch habe«, sagte Robert Revedoune. Seine Stimme war rauh vor Zorn über das unerbittliche Schicksal. »Du wirst heiraten und mir Enkelsöhne schenken. «
    Judith starrte ihn entsetzt an. Heiraten? Ihre Mutter hatte sie auf ein Leben im Kloster vorbereitet. Nicht, indem sie das Mädchen viel beten und fromme Lieder singen ließ, sondern sie hatte nur die einzige Karriere im Auge gehabt, die für ein Mädchen aus adeligem Hause möglich war: Judith sollte noch vor ihrem dreißigsten Lebensjahr Äbtissin sein.
    Eine Äbtissin war eine angesehene Persönlichkeit. Der Unterschied zwischen ihr und einer gewöhnlichen Frau war etwa so wie der zwischen einem König und seinem Diener. Eine Äbtissin verfügte über Besitz, über ausgedehnte Ländereien, Güter, Dörfer und Ritter. Man ging zu ihr, um sich bei ihr Rat und Hilfe zu holen. Eine Äbtissin hatte zu bestimmen und war niemandem untertan.
    Judith konnte die Bücher für große Besitztümer führen, sie konnte mit kühlem Verstand Streitigkeiten schlichten und Gespräche führen. Sie wußte, wieviel Weizen angebaut werden mußte, um eine bestimmte Anzahl Menschen zu ernähren. Sie konnte lesen und schreiben, alles für den Empfang eines Königs vorbereiten und ein Hospital leiten. Alles, was sie für das Amt einer Äbtissin wissen mußte, hatte man ihr beigebracht.
    Und nun sollte sie das alles vergessen, um die unterdrückte Frau irgendeines Mannes zu werden?
    »Ich will das nicht! « Ihre Stimme klang beherrscht, aber ihre Ablehnung hatte die gleiche Wirkung, als hätte sie geschrien.
    Robert Revedoune war einen Moment verwirrt. Noch nie hatte eine Frau es gewagt, ihm die Stirn zu bieten! Noch nie hatte sich eine erlaubt, ihn so anzusehen. Solche Blicke kannte er nur von Männern.
    Als er sich von seiner Überraschung erholt hatte, versetzte er Judith einen wütenden Schlag, so hart, daß sie durch den halben Raum taumelte.
    Sie lag am Boden, und aus ihrem Mundwinkel sickerte Blut. Doch der Blick, mit dem sie ihn ansah, war noch immer furchtlos. Es lag sogar etwas wie Abscheu, ja, Haß darin. Und für Sekunden war Robert Revedoune die eigene Tochter nicht ganz geheuer.
    Helen war sofort neben Judith. Doch während sie neben der Tochter niederkniete, krampfte sich ihre Hand um den kleinen Dolch, den sie an der Seite trug.
    Als er das bemerkte, verflog Revedounes Unsicherheit. Seine Frau war ein Weib, das er richtig einschätzen konnte. Auch wenn sie sich jetzt vor Mutterliebe wild gebärdete — in ihren Augen las er Angst und Schwäche.
    Er packte ihren Arm. Der Dolch fiel ihr aus der Hand. Und während sich seine harten Finger in Helens Oberarm gruben, starrte er lächelnd auf seine Tochter nieder.
    Grimmig schüttelte er sein Weib, als wäre sie eine Stoffpuppe. Er stieß sie zu Boden und grinste höhnisch, als sie gekrümmt zu seinen Füßen lag.
    Dann ging sein

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