Die Novizin
erledigte, doch diesmal schien er die Befehle seines Herrn nur mit Widerwillen auszuführen.
Auf Drängen des Seigneurs schnitt er der Leiche den Bauch auf und schob die Eingeweide beiseite. Dampf stieg aus der Bauchhöhle auf, während der Henker mit der Hand darin wühlte. Schließlich zog er etwas Blasses, Blutiges heraus, das aussah wie ein Frosch.
Raymond blickte mir in die Augen. Zum ersten Mal vermochte ich ehrliche Bestürzung in seinem Gesicht zu erkennen. »Sie hat die Wahrheit gesagt. Sie erwartete ein Kind. Einen Sohn.«
In meinem kurzen, unglücklichen Leben hatte ich bereits viele schreckliche Dinge gesehen, aber dies erschütterte mich bis ins Mark.
Übelkeit stieg in mir auf. Ich schlug die Hände vor den Mund. Es ging über meinen Verstand, wie ein Mann seiner Frau so etwas antun konnte. Vielleicht hatten die Ereignisse jenes Winters uns alle an den Rand des Wahnsinns gebracht.
Ich starrte auf den verstümmelten Leib der toten Frau und das noch kaum entwickelte Kind, das der Henker in seiner Hand hielt. Schließlich murmelte ich ein Gebet für die Seelen jener beiden unglücklichen Geschöpfe. Es war meine Pflicht. Wir müssen für all jene beten, die ohne Beichte sterben und tief in Gottes Schuld stehen.
*
In der Nacht überfielen mich die Dämonen des Zweifels.
Ich fand keinen Schlaf. Der Teufel schlägt immer dann zu, wenn wir am schwächsten sind. In der Schwärze der Nacht ist der Geist eines Mannes anfällig für Dämonen, die von Versagen und Tod künden und von der kurzen Zeit, die wir auf Erden wandeln. Jene grässlichen Geschöpfe ließen mir keine Ruhe und füllten meinen Kopf mit ihrem Geschrei und ihren Klagen. Tausend verlorene Seelen entstiegen den Flammen und zeigten anklagend mit dem Finger auf mich, als sei ich es, der sie zu ihren Qualen verdammt hatte. In jenen Tagen träumte ich oft vom Fegefeuer.
Ich stand auf und warf mir meinen Umhang über. Durch einen Spalt in den Fensterladen sah ich den Mond, der durch die Wolken zu jagen schien. Die Geschehnisse des Tages ließen mich nicht los. Ich schritt in meiner Zelle auf und ab, vermochte jedoch die Beklommenheit nicht abzuschütteln, die sich wie ein Leichentuch über mich gesenkt hatte.
Ich bat Gott inständig, mir inneren Frieden zu schenken, aber mein Gebet wurde nicht erhört.
SUBILLAIS
Ich hatte die Gebeine wieder in das Öltuch gewickelt und sie auf die verschlossene Truhe in meiner Zelle gelegt. Sie sollten die Nacht über dort bleiben, nur wenige Ellen von meinem Lager entfernt. Wenn ich am Morgen die Augen aufschlug, würden sie das Erste sein, was ich erblickte.
Lasst mich eines sagen: Ich hatte keinen Zweifel, dass jene Gebeine die Knochen irgendeines Häretikers oder Heiden waren und dass es sich bei jener gotteslästerlichen Angelegenheit um eine Lügengeschichte handelte. Mit dem Tod der Dame Eleonore war ich am Ende meiner Untersuchungen angelangt. Ihr Bruder, Christian de Saint Ybars, war plötzlich nach Acre befohlen worden und kurz darauf in Marseille mit einem Templerschiff in See gestochen, mit Kurs auf das Heilige Land.
Ich hätte gern von ihm selbst erfahren, warum er den Priester Guillaume ermordet hatte, aber selbst wenn er noch in Maurac gewesen wäre, hätte es schließlich nicht in meiner Macht gestanden, ihn vorzuladen und zu befragen. Daher konnte ich nur Vermutungen anstellen.
Eines war jedoch gewiss: Sowohl er als auch sein Vetter würden bis in alle Ewigkeit für ihre Sünden büßen.
Mit Sicherheit waren die Knochen, die sich nun in meinem Besitz befanden, dieselben Gebeine, die in jener Grabstätte in der Höhle über dem Teich der Madonna geruht hatten. Und die beiden Leichen ohne Kopf, die man ganz in der Nähe gefunden hatte, mussten jene Männer gewesen sein, die Christian de Saint Ybars beim Öffnen der Grabstätte zur Hand gegangen waren. Er hatte mit seinem Schwert dafür gesorgt, dass sie Stillschweigen bewahrten, und ihre Köpfe entfernt, damit ihr geschorenes Haar und ihre Bärte sie nicht als Templer entlarvten.
Ich sagte mir noch einmal, dass diese Knochen nicht die Gebeine Gottes oder eines Heiligen waren, sondern lediglich die sterblichen Überreste eines vor langer Zeit gestorbenen Ungläubigen. Ich wusste, dass ich in jener Nacht tief und fest schlafen würde, mit gutem Gewissen, unerschüttert in meinem Glauben.
BERNARD
Spät in jener schlaflosen Nacht klopfte ich an Bruder Subillais’ Tür und stellte fest, dass auch er noch wach war und die Gebeine
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