Die Novizin
ausgekratzt. »Gut für mich sorgen? In welcher Hinsicht, mein Herr?«
»Ich möchte nicht weiter über diese Angelegenheit sprechen.«
»Wie könnte man in einem Nonnenkloster gut für mich sorgen?«
Er gab keine Antwort.
Meine Demütigung war nicht unbemerkt geblieben. Die Wachposten an den Türen und die Dienstmägde beobachteten uns mit unverhohlener Neugier. Heiße Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wollte nicht, dass Raymond mich weinen sah, denn das verschaffte mir das Gefühl, ein törichtes junges Mädchen zu sein und nicht die Herrin dieser Burg, die seine Güter und Bücher geführt und seine Bündnispartner bei Laune gehalten hatte, während er sich auf der Jagd und mit den Küchenmägden vergnügte.
»Ich bitte Euch, mein Herr, tut dies nicht. Habt Erbarmen!«
»Mein Entschluss steht fest.«
Ich verspürte den Drang, ihm einen Dolch ins Herz zu stoßen, doch stattdessen saß ich einfach nur da, hielt den Rücken gerade und klammerte mich an das letzte bisschen Würde, das mir noch geblieben war. Raymond trank seinen Glühwein aus, erhob sich und warf den Becher beiseite. Dann rief er nach seinem Falkner und verließ die große Halle. Nach einer Weile hörte ich ihn durch den Innenhof davonreiten.
Ich saß vor dem Kamin, starrte ins Feuer und sah ein Leben voller bitterer Gedanken vor mir, eine endlose Aneinanderreihung von Tagen, die ich mit Gebeten füllen sollte – ich, eine Frau, die geboren war, um zu herrschen! Wie konnte er mir das antun?
Ich führte mir das Leben vor Augen, das er mir zugedacht hatte, und wusste, wie ich es ihm vergelten würde.
*
Ich fuhr mit der Hand über die kalten Steine der Brüstung.
Der Tag war klar, der Himmel wolkenlos. In weiter Entfernung konnte ich die blassblauen Gipfel der Pyrenäen erkennen. Das Leben im Château ging seinen gewohnten Gang – in der Schmiede wurden Hufeisen gehämmert, Hühner liefen gackernd über den Hof, die Reitknechte und Stallburschen würfelten, schrieen und lachten.
Ich hatte den guten Mönch um eine Unterredung auf dem Turm gebeten, hatte ihn glauben lassen, es gebe noch ein weiteres Geheimnis, das ich ihm mitteilen wolle und das ausschließlich für seine Ohren bestimmt sei. Geheimnissen vermochte er nicht zu widerstehen. Sie waren alles, wofür er lebte.
Er humpelte an Vater Bernards Arm auf mich zu. Bei seinem Anblick stieg überwältigender Zorn in mir auf. Vater Subillais’ Miene verriet, dass ihn keinerlei Zweifel belasteten, dass er keine fremde Meinung gelten ließ.
Gott bewahre uns vor Männern, die zu viel denken und zu wenig leben.
»Ihr wünschtet mich zu sprechen, Madame?«
»In der Tat. Habt Ihr vernommen, was mit mir geschehen soll? Wisst Ihr, dass ich fortgeschickt werde?«
»Wohin Ihr auch geht, Ihr müsst zu Gott finden. Sucht ihn im Gebet und in der Bibel, dann werdet Ihr Euren Frieden finden. Unser Leben ist bedeutungslos, wenn wir es nicht Gott widmen.«
Ich lächelte ihn an, um meine Wut zu verbergen. Ich würde ihm nicht den Gefallen tun, zu schreien und zu toben, denn das würde er nur zum Anlass für weitere fromme Worte nehmen. Er hatte hier in Saint-Ybars bereits sehr viel mehr bekommen, als er ursprünglich erwarten durfte. Zweifellos hatte sich Raymond durch die Auslieferung der Gebeine sein Überleben und eine gesicherte Stellung erkauft.
»Euer Diener sagte mir, dass Ihr mir etwas Wichtiges mitzuteilen hättet. Möchtet Ihr vielleicht, dass ich Euch die Beichte abnehme?«
»Es ist wohl tatsächlich eine Art von Beichte.«
»Falls Euch die Last, die auf Eurer Seele liegt, dadurch leichter wird, höre ich mir mit Freuden an, was Ihr mir zu sagen habt.«
Vater Subillais’ Vikar stand einige Schritte von uns entfernt und beobachtete mich, also wandte ich mich ab, damit Vater Bernard mir nicht die Worte von den Lippen ablesen konnte. »Mein Gatte glaubt, ich sei unfruchtbar. Genau wie Ihr soll auch ich fortan ein Leben in Keuschheit führen. Ich frage mich, wie dies zu bewerkstelligen ist! Für eine Frau ist es doch gewiss schwerer als für einen Mann, da wir schwache Geschöpfe voller schamloser Begierden sind.«
»Die Antwort auf unsere menschliche Natur liegt im Gebet und in der Beichte.«
»In der Beichte?«
»Gott vergibt uns jede Sünde, wenn wir es zulassen.«
»Das mag wahr sein. Aber ist denn ein guter Mönch wie Ihr nicht stets frei von Sünde?«
»Ich bin auch nur ein Sterblicher. Ich sündige in Worten und Taten, aber ich vertraue auf die Erlösung durch Jesus
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