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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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lästigen Begleiter weg? Es war so ein Zeitgenosse in überkurzen Hosen und mit Brennesselbeinen.
    »Junglehrer aus Alt-Briezen«, stellte er sich vor.
    Wie dann der Altlehrer von Neu-Briezen aussehe, murmelte Cotta.
    Wir versuchten es mit einer Pause. Der Junglehrer machte auch Pause.
    Wir saßen am Straßenrand, kauten Grashalme und blinzelten in die flimmernde Luft. Am Himmel war ein Zahnbohrersurren.
    »Das Flugzeug von der Arbeitsfrontzeitung«, sagte der Junglehrer. »Es bringt die Abendausgabe nach Swinemünde. Die Pakete werden über dem Strand abgeworfen.« Wenn wir hinkämen, könnten wir uns jeden Tag um die Exemplare balgen. »Das macht Spaß«, sagte er.
    Cotta hatte keine Lust, sich am Strand um politische Zeitungen zu balgen. Sie ließ durch Bibi anfragen, ob ich den Kerl nicht vergraulen könne.
    Aber er hatte ein dickes Fell. Jetzt ließ er sein Fahrtenmesser durch die Luft wirbeln und sang: »Die blauen Dragoner, sie reiten...«
    Cotta ließ bestellen, sie bleibe hier sitzen bis zum Mond, sie habe Kreuzschmerzen vom Rennrad; der Junglehrer solle sich nicht aufhalten lassen.
    »Große Marschpause«, sagte der Junglehrer. Er wolle inzwischen einen Markstein des völkischen Kampfes besuchen, das Grab des Blutzeugen Monke, erschossen von radikalen Waldarbeitern«. Sprach’s und verschwand mit seiner Vier-Mark-Box im Walde.
    »Los!« rief Cotta. Wie der schwarze Jäger Johanna sprang sie auf ihr Rad. Bibi hatte dem Junglehrer die Luft aus den Reifen gelassen.
    Hinter der nächsten Kurve hielten wir Kriegsrat. Bibi quietschte vor Vergnügen. Da es aber kein angenehmer Gedanke war, verfolgt zu werden, versteckten wir uns im Wald. Dort lagen wir bäuchlings und lugten durch die Büsche.
    »So was ist Lehrer!« schnaubte Bibi. »So ein Stacheldrahtbein!«
    »Stacheldrahtgehirn«, sagte Cotta. »Ich möchte mal seine Klasse sehen.« Sie stellten sich vor, was sie machen würden, wenn so einer in ihre Klasse käme.
    »Na ja«, sagte Cotta. »Gernegroß ist auch nicht viel besser. Sieht nur netter aus.«
    Gernegroß war der Musiklehrer, und wenn das sein Spitzname war, so hieß er bestimmt Klein.
    »Er sieht nicht nur netter aus«, meinte Bibi, »er ist netter.«
    »Weil er dir Bonbonaugen macht, wie? Ach, sei still!«
    »Gar nicht!« rief Bibi. Man merkte aber, Gernegroßens Ideal war die deutsche Maid wie Bibi. Cotta war wohl nicht sein Typ.
    »Weil ich einen Geigenprofessor habe, bei dem er durchgefallen ist«, murmelte Cotta. »Ich kann mir schließlich keine Zöpfe wachsen lassen, damit er mich in den Chor nimmt.«
    »Na, das hat ja auch was mit Stimme zu tun«, parierte Bibi.
    »Ha!« rief Cotta. »Wenn du singst, Bibi! Wenn du singst!«
    Bibi suchte einen Tannenzapfen, um ihr den Mund zu stopfen. Aber da stieß sie einen Schrei aus. Wir lagerten direkt neben dem Waldgrab des Blutzeugen Monke, hatten uns also dem Junglehrer gewissermaßen auf die Herdplatte gesetzt.
    Schleunigst gingen wir in andere Deckung. Doch er mußte sein Ziel nicht gefunden haben. Er tauchte nicht bei Monke auf. Statt dessen sahen wir ihn alsbald mit flatterndem Runenwimpel gen Eberswalde jagen. Er verfolgte uns. Die Taktik des Überrollenlassens kam ihm nicht in den geraden Sinn. Wir setzten unsere Fahrt in seinem Rücken fort.
    »Wie weit sind wir denn schon?« fragte Cotta.
    »Mein Kilometerzähler zeigt vierzig Kilometer«, sagte Bibi.
    »Ach, dein Kilometerzähler! Du fährst ja alles doppelt!«
    Bibi apportierte nämlich immer die Sehenswürdigkeiten, die hinter der nächsten Kurve lagen. Und alles fand sie niedlich, jedes schwitzende Huhn, jede noch so ferne Kuh. Kühe hatten es ihr besonders angetan.
    »Kaiserin Sissi schleppte ihre Lieblingskühe immer mit, auch in den Kurort«, sagte Cotta. Es war ein Segen, daß Bibi bloß die Tochter eines Wirtschaftsprüfers war.
    Im Walde grummelte die Berlin-Stettiner Eisenbahn. Da polterten die Berliner Ferienreisenden zur Bäderküste. Taschentücher flatterten aus den Fenstern der schwarzen Waggons, wenn der Zug mal ein Stück neben der Straße herfuhr.
    Spechthausen. Ein Schild: »Zur Schwärze«. Sonderbare Namen: Lisenkrüz, Nonnenfließ, Forsthaus »Geschirr«.
    »Warum heißt das Forsthaus >Geschirr    »Weil da die Rehe ihren Abwasch hinbringen«, sagte Cotta.
    Cotta wollte eine Brühe trinken, und wir wählten ein Wirtshaus im märkischen Schweizerstil. Da drinnen war’s wie im Kellnerhauptquartier. Lauter beleidigte Ober und kein Gast. In der Küche waren

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