Die Oder gluckste vor Vergnügen
alle Eßkanonen geladen, so roch es. Wir wollten aber nur dreimal Brühe.
Bibi hängte ihren Fotoapparat an ein Rehgehörn.
Es kam ein Pikkolo von der säuerlichen märkischen Kellnersorte. Dem waren wir nicht die Papierservietten wert.
»Ob man hier sein Brot auspacken kann?« fragte Bibi.
Dann träfe die Kellner der Schlag, meinte Cotta.
Mit schweigender Verachtung servierte der Pikkolo die Brühe und stellte sich gelangweilt unter die vielen Geweihe.
Bibi löffelte ungeniert. Einmal drehte sie sich um, katzenhaft beiläufig. Magisch angezogen tauchte der Pikkolo neben ihr auf.
»Streut das Salzfaß nicht?« Es streute. Trotzdem brachte er ein anderes. Wie über sich selbst verwundert, stand er da und blickte auf Bibis Hände.
Bibis Blick streifte die Wand. Gleich erläuterte der Pikkolo die Geweihe.
»Zwölfender, erlegt von Herrn Geheimrat Schröder, Patenthufnagelfabrik Eberswalde 1876.« Er fügte hinzu: »Das Geweih ist sehr alt.«
»Kann man hier seine Brote essen?« fragte Bibi.
»Belegte Brote?« rief der Pikkolo erbötig.
»Ja, aber meine eigenen«, sagte Bibi. »Die, die an meiner Lenkstange hängen.«
Der Pikkolo reckte sich und schaute durchs Fenster auf die Räder, die an Baumstämmen lehnten. Und dann lief er los. Er lief, als brenne sein Frack. Er brachte den Proviantbeutel. Es war aber Cottas.
»Macht nichts. Eß ich eben Cottas Brote«, sagte Bibi.
Doch davon wollte der Pikkolo nichts wissen. Er sauste zum zweitenmal an den Stirnfalten seiner Vorgesetzten vorbei. Er verriet die märkische Gastronomie an Bibi. Er brachte den richtigen Beutel und Messer und Gabel und eine Stoffserviette.
»Gleich wird er auf der Matte knien«, murmelte Cotta.
Bibi blieb ungerührt, aber der Blick, mit dem sie Cotta ansah, war ganz: Na, siehste?!
Cotta machte ein Gesicht, als wollte sie sagen: Über solche Erfolge bin ich erhaben. Musiklehrer und Pikkolo...
Der Pikkolo beobachtete dann unsere Abfahrt. Auf einmal sah ich Bibi mit Pikkoloaugen, und da war sie beinahe noch lieblicher, als mit Dichteraugen gesehen. Bibi, unter Buchenblättern, von Sonnenkringeln betupft. Ja, wer da mitfahren könnte...
Weil ich aber den Wacholder von der vorigen Nacht noch in den Knochen hatte, suchten wir einen Rastplatz im Wald.
Umschwebt von Faltern und Mücken, umwogt von Farn und Gras und Bibis Plisseerock, streckte ich mich aus. Das Heft mit meinem Märchen und dem betrügerischen Etikett »Der sterbende Cäsar« hatte ich recht auffällig hingelegt. Sie sollten sehen, daß sie tatsächlich mit einem Dichter fuhren. Im Text war »Klein-Willi« des öfteren durch das Wort »Cäsar« ersetzt worden. Für alle Fälle. Doch damit, daß Bibi das Heft gleich an sich reißen würde, rechnete ich nicht.
Im Halbschlaf hörte ich es neben mir rascheln.
»Der Dichterfürst schläft«, flüsterte Bibi.
»Was hast du da?« fragte Cotta.
»Will nur mal sehen«, sagte Bibi. »Vielleicht ist was von Liebe drin. Es interessiert mich, wie sich unser Rex die Liebe vorstellt.« (Von da an hieß ich nur noch Rex.)
»Leg das Heft hin!« befahl Cotta.
»Gleich. Hör nur mal, das ist so komisch. Warum sagt der sterbende Cäsar: >In meinem Hut sind Enteneier«
»Ach, das ist symbolisch«, meinte Cotta.
»Aber jetzt tritt er an die Rampe und sagt zum Publikum: >Paßt schön auf, liebe Kinder!<«
»Wer?«
»Der sterbende Cäsar«, sagte Bibi.
»Du hast keine Ahnung, wie Dichter arbeiten«, erklärte Cotta. »Wenn ihnen mal nichts einfällt, kritzeln sie alles mögliche. Sogar Kochrezepte.«
»Hm«, machte Bibi. Sie legte das Heft hin. Die Gefahr war vorbei. Dennoch hielt ich es für besser, aufzustehen und den »Sterbenden Cäsar« zu verpacken. Der Schreck hatte mich munter gemacht. Wir fuhren weiter.
»Es verfolgt uns ein schrecklicher Hund«, meldete Bibi. »Er läuft hinter den Büschen.« Das Niesen kam immer mit.
»Vielleicht ist’s der Junglehrer«, meinte Cotta.
Doch in der Kurve vor uns stand er schon, der Hund. Er hatte uns mit Hyänentaktik überflügelt. Es war der scheußlichste Hund, den man sich denken konnte.
»Unser Naturkundelehrer sagt, in der Natur sei alles richtig«, rief Cotta schaudernd. Dabei krachte sie gegen mich, ich gegen Bibi, und wir büßten unsere weisheitslose Befremdung mit einem Massensturz.
»Mein Schuh!« schrie Bibi. Der stand ganz allein zwischen uns und dem Hund. Und schon erkannte das Tier seine Chance. Mit gespitzten Ohren kam es heran, nicht schnell, aber so, als sei es
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