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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Unter »ferner liefen«

    Der Brief von der Steuer roch nach Chanel. Nun ist das gemeinhin kein Parfüm, das Steuerinspektoren zu verwenden pflegen.
    Ich schnupperte und überlegte.
    Auch Fräulein Luthcher konnte die Ursache dieses Duftes nicht sein. Fräulein Luthcher hatte ein Parfüm, das nach Einweichmitteln roch. Es war genau wie sie selbst: hygienisch, sachlich und unerotisch.
    »Ist sonst noch Post?« fragte ich.
    Es war zwischen mir und Fräulein Luthcher ausgemacht, daß nur die brennenden Sachen zur >Post< zu gehören hatten. Alles andere (Benzinreklamen, Bettelbriefe, Rechnungen) wanderte in eine andere Mappe zur späteren Durchsicht.
    Da ich den Duftträger unter >wichtig< nicht fand, vermutete ich ihn unter >ferner liefen<.
    »Wo ist die zweite Mappe?« fragte ich.
    Fräulein Luthcher sah mich strafend an. Sie kannte mich nur auf ausgetretenen Junggesellenpfaden. Die einzige Ehe, die ich führte, war die Berufsehe mit ihr (wobei der Akzent mehr auf Beruf zu legen war).
    »Es ist sicher der Bittbrief einer Mutter, die ihre Tochter zum Film bringen will. Oder sie möchte ein Autogramm.«
    Das letzte wäre mir immerhin eine Ehre gewesen. Ich war Drehbuchschreiber, erschien also nie auf der Leinwand. Deshalb fühlte ich mich stets geschmeichelt, wenn jemand dennoch meine Bedeutung erkannte.
    »Her mit dem Brief«, knurrte ich.
    »Der Absender ist eine Frau Schmitt«, sagte Fräulein Luthcher verächtlich.
    »Der Name Schmitt ist genausogut wie jeder andere deutsche Name«, erklärte ich gereizt, »nur, daß er zufällig häufiger vorkommt. Können Sie etwas dafür, daß Sie Luthcher heißen?«
    Man muß wissen, daß die meisten Leute sie ahnungslos Lutscher nannten, Lutscher wie Schnuller.
    »Hier ist der Brief. Absender: Frau Schmitt geborene Percotta.«
    »Percotta?« schrie ich. Ich mußte schreien.
    »Wie konnte ich wissen, daß Ihnen die Dame so wichtig ist«, sagte Fräulein Luthcher beleidigt. »Ich habe noch nie einen Brief von ihr gesehen.«
    »Ich auch nicht«, gab ich zu. »Das heißt... wie sagten Sie? Vor zweiundzwanzig Jahren war’s für mich die wichtigste Person auf der Welt. Oder die zweitwichtigste? Ich weiß es nicht...«
    Und ich las den Brief, der eine umfangreiche Korrespondenz und eine Reihe wichtiger Ereignisse zur Folge haben sollte:

    Stuttgart...
    Sehr geehrter Herr Doktor, in einer Zeitungsnotiz las ich zufällig Ihren Namen. Wenn Sie es sind, den ich meine, erübrigt sich jede Erklärung. Sind Sie es nicht, erübrigt sich Ihre Antwort.
    Raffaela Schmitt geb. Percotta

    Düsseldorf...
    Liebe Cotta, ich bin es. Dein Mann wird mir nicht übelnehmen, daß ich Dich noch duze. Haben wir nicht miteinander im Straßengraben gelegen? Du hast die Stellen sogar auf der Karte verzeichnet. Ich komme gerade aus Colombo, Ceylon, wo ich Außenaufnahmen halber war. Es war so heiß, daß die Filme in den Büchsen schmolzen. Wie geht es Deiner Freundin Bibi? Ich sehe Dich immer mit ihr zusammen. Allein kann ich mir keine von Euch beiden vorstellen. Und kannst Du noch radfahren?
    Dein — ach so, ich hieß ja
    Rex

    Stuttgart...
    Lieber Rex, Bibi ist tot, auf der Flucht von Ostpreußen umgekommen. Die näheren Umstände kenne ich nicht. Mir geht es aber gut, ich bin Amtsärztin, fahre V olkswagen und nicht mehr Rad. Ich konnte es ja eigentlich nie, trotz der Radtouren mit Bibi und Dir. Und Du? Brille? Glatze? Mercedes? Ginseng, drei Teelöffel täglich? Machst Filme! Ich dachte, Du wolltest Dichter werden. Ich bin übrigens geschieden. Kein Talent zur Ehe. Mein Sohn studiert in Tübingen.

    Cotta

    Düsseldorf, Flugplatz...
    Liebe Cotta, meine Sekretärin folgt mir wie ein Kometenschweif ins Flugplatzrestaurant. Aus der Korrespondenz fische ich Deinen Brief und lese von Bibi. Ja, kann so etwas Lebendiges tot sein? (Steht hier so. Anmerkung der Sekretärin.) Ich sehe es vor mir, wie sie in Biesenthal ihre Tüte Eis leckte und das Rad fallen ließ und der Mann mit den roten Rüben darüber stürzte. Wer kommt je wieder nach Biesenthal?

    Dein gez. Rex

    Anmerkung der Sekretärin: Ohne Unterschrift, da durch Flug nach Amerika unterbrochen.

    Als ich diesen Brief diktierte, erklang mein Name durch den Lautsprecher. Es war die unwiderruflich letzte Aufforderung. Fräulein Luthcher stand mit stoischer Ruhe samt Stenogrammblock im Getümmel.
    »Schicken Sie das ab«, sagte ich. »Und halt, noch eins, öffnen Sie die kleine Kommode mit der Messingplatte...«
    In diesem Augenblick ertönte die

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