Die Odyssee des Captain Roadstrum
wollhaariger Mensch”, sagte Roadstrum.
„Das kann ich eigentlich nicht finden. Ich glaube schon, daß ich ein Schaf bin, denn ich bin immer ein Schaf gewesen.”
„Und worin, glaubst du, besteht der Unterschied zwischen einem Schaf und einem Menschen?”
„Der Mensch ißt das Schaf. Aber hast du schon einmal davon gehört, daß ein Schaf einen Menschen gefressen hat?”
„Nein, ich glaube nicht”, sagte Roadstrum.
Die Stimmung war sehr gedrückt. Sie aßen lustlos und mißmutig aus einer großen Schüssel, die faulige Gemüsereste enthielt, gemischt mit allem möglichen Zeug, das es auf der Erde nicht gab. Sie waren träge und fett, und ob sie nun Menschen waren oder Schafe, sie stanken jedenfalls wie Schafe.
Keine Fröhlichkeit und Ausgelassenheit, wie man es sonst in Tavernen findet. Sie tranken ein Gebräu, das Kartoffelbier zu sein schien. Roadstrum nippte aus reiner Neugier daran. Das Getränk hatte einen milden Alkoholgehalt und hätte eigentlich die Stimmung beleben müssen.
„Habt ihr denn keine Musik hier?” fragte Roadstrum, „oder irgend etwas anderes, um ein wenig Leben in die Bude zu bringen?”
„Manchmal singen wir ein bißchen”, sagte das Schaf, mit dem er sich unterhielt. „Aber wir können nicht gut singen.”
„Versucht es doch wenigstens”, rief Roadstrum. „Los, Leute! Ich möchte eines von euren lustigen Liedern hören! Ich bin Gast hier, und einem Gast muß man gefällig sein. Also singt!”
„Na schön”, seufzte eines der Schafe.
Sie sangen wirklich schlecht, aber sie sangen. Es war eine elegische Ballade, die vom Schlächter handelte, unter dessen scharfem Messer sie alle einmal enden würden.
„Aber ihr singt ja wunderbar”, sagte Roadstrum ehrlich begeistert. Und dann fiel ihm plötzlich etwas auf.
„Sagt mal, warum habt ihr eigentlich gar keine Schwänze? Ich war der Meinung, daß alle Schafe Schwänze haben.”
„Nicht auf Polyphemia”, sagte das Schaf, mit dem sich Roadstrum unterhalten hatte.
„Das ist wirklich äußerst merkwürdig”, sagte Roadstrum. „Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, daß ihr eigentlich gar keine Schafe seid.”
„Wir müssen aber Schafe sein”, sagte das Schaf.
„Na ja, eigentlich habt ihr ganz recht. Es ist wirklich nicht immer angenehm, ein Mensch zu sein.”
Ein Mann trat herein. Ein Mensch, kein Schaf. Ein finster blickender Mann. Er übergab einigen der anwesenden Schafe kleine Papierstückchen, und dann ging er wieder.
„Bist du diesmal auch dran?” fragte der Schaf-Barkeeper Roadstrums Freund.
„Ja”, nickte das Schaf traurig. „Schon morgen.”
„Jeder von uns kommt einmal an die Reihe. Dazu sind wir ja hier.”
„Ich weiß. Aber es fällt mir doch schwer, Agnes und die Kinder allein zurückzulassen.”
Das Schaf war sehr fett und sehr traurig. Roadstrum fühlte ein starkes Mitleid mit dem Schaf, das er schon als einen Freund betrachtete.
„Was steht eigentlich auf dem Papier?” fragte er teilnahmsvoll.
„Mein Name”, sagte das Schaf. „Und das Datum von morgen.”
Roadstrum respektierte die Zurückhaltung seines Freunds und fragte nicht weiter. Er fühlte jedoch, daß da irgend etwas ziemlich faul war.
Aber im Verlauf des Nachmittags hob sich die Stimmung der Schafe wieder ein wenig. Sie sangen wieder ein Lied, und diesmal klang es gar nicht schlecht.
Sie ließen den Krug mit dem Kartoffelbier kreisen, und ihre Gesichter begannen zu glühen. Sie erzählten sich sogar Witze.
Schafswitze haben einen ganz eigenen Humor, fand Roadstrum.
Aber konnten Schafe wirklich Humor haben? Und Lieder singen?
Roadstrum war immer der Ansicht gewesen, daß seine eigenen Sorgen ihm vollauf genügten. Er hatte sich eigentlich nie auch noch die Sorgen anderer Leute aufgeladen, und schon gar nicht, wenn er nicht darum gebeten worden war.
Er wußte aber mit Bestimmtheit, daß Schafe sich üblicherweise nicht in Tavernen versammeln und Bier trinken, nicht einmal Kartoffelbier, daß sie nicht singen, nicht einmal schlecht, sondern überhaupt nicht, und daß sie keine Witze erzählen. Aber ein Fremder kann sich in einer fremden Welt leicht die Finger verbrennen, wenn er sich zu sehr für die lokalen Bräuche interessiert.
„Aber ich bin der große Roadstrum”, sagte er plötzlich laut. „Ich bin der große Anwalt, der den Unterdrückten zur Gerechtigkeit verhilft. Und ich habe so leicht vor nichts Angst. Ich habe den mächtigen Atlas im Ringkampf besiegt, und welcher andere kann das schon von sich
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