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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Viereck, das von einem der fehlenden Gegenstände, einem Bilderrahmen, an der Wand hinterlassen worden war. Das Viereck erstaunte ihn. Auch erstaunte ihn, dass Hedda im Unterschied zu ihm selbst immer genau gewusst zu haben schien, was wem gehörte, dass sie die Umrisslinien, die Grenzen ihrer Gegenstände und ihrer Person, auch nach sieben Jahren des Zusammenlebens noch in voller Deutlichkeit wahrnahm, während er selbst das Gefühl hatte, die Konturen aller Dinge seien längst verschwommen, ineinandergelaufen wie auf einem dilettantischen Aquarell, der Tisch, das Sofa, Ich, Du , ein schmutziger ausufernder Farbfleck.
    Als wüsste er endlich, was zu tun sei, ging er in sein Arbeitszimmer hinüber, wo seit Wochen nicht gearbeitet, sondern höchstens ferngesehen wurde. Er setzte sich an seinen Tisch, grub aus einem Papierhaufen ein zerknülltes Notenblatt undstrich es glatt. Auf seinem Schreibtisch lag seit längerem ein Buch, »Geschichte der Erdzeitalter«, das er sich irgendwann gekauft hatte. Ich hätte es vielleicht doch zu Ende lesen sollen, dachte er. »Liebe Hedda«, schrieb er. Die Spitze des Bleistifts zerkratzte die Stille. »Du wunderst dich sicher, einen Brief von mir zu finden«, schrieb er, »aber du kannst ihn ja wegwerfen.« Er hielt inne, zündete sich eine Zigarette an und beobachtete den Rauch, der in langsamen Schnörkeln zur Decke stieg und sich auflöste. Sieben Ehejahre, überlegte er, der Unermesslichkeit der Erdzeitalter gegenübergestellt, werden sich zu letzteren verhalten ungefähr wie eine einzige Viertelnote zum Werk aller Komponisten, die zweit-, dritt- und die viertklassigen eingerechnet.
    Am nächsten Morgen, nachdem er aufgestanden war, sich rasiert und sorgfältig angezogen hatte – gebügeltes weißes Hemd, denn im gebügelten weißen Hemd hatte er Hedda gefallen, einigermaßen zumindest, sogar noch zuletzt –, warf er den Brief, den er mit »Dein Thomas« unterzeichnet und in ein altes Sparkassenkuvert gesteckt hatte, in ihren nagelneuen Briefkasten, auf dem nicht Hedda Groning-Holler, sondern bloß wieder Groning stand.
    Er grüßte einige Arbeiter in Heddas Hinterhof (»Creative-Village-Loftwohnungen« war hier auf einem riesigen Bauplakat zu lesen), die, pfeifend, bedächtig herumgingen. Er sah ihre Gesichter genauer, als er es wollte. Sie aber nahmen kaum Notiz von ihm.
    Zu Hause machte er Ordnung. Er räumte auf, warf den Müll fort oder das, was er dafür hielt. Er putzte, entfernte sogar die in der Heizungsluft vibrierenden Spinnweben an den Möbelabdrücken,was Hedda erfreuen würde, und immer wieder sagte er sich, dass er es ihr nicht verdenken könne, wenn sie nur mehr wieder Groning hieß, schon jetzt, wie es auf ihrem Briefkastenschild zu lesen gewesen war, auch wenn es nicht – noch nicht – ganz der Wahrheit entsprach, aber er konnte es verstehen.
    Das Bad sparte er aus. Es überstieg nun doch seine Kraft.
    In der Küche füllte er ein Glas mit Leitungswasser. Er trank es in einem Zug aus. Wieder füllte er das Glas und goss eine Pflanze, die seit Jahren auf dem Fensterbrett stand, einen Rosmarinstock, von Hedda vergessen und vertrocknet. Er füllte das Glas ein letztes Mal und ging damit in sein Arbeitszimmer, wo er die Schreibtischschublade öffnete und ein Döschen herauszog und die darin aufbewahrten Tabletten ins Glas schüttete, bevor er es sorgfältig wieder verschloss und in die Schublade zurücklegte. Er konnte auch ordentlich sein, wenn er wollte.
    Mit dem Interesse eines Chemikers beobachtete er, wie die Pillen sich auflösten. Sorgsam trug er das Glas vor sich her und ging zu seinem Flügel. Aber er spielte nicht, sondern sah in das Glas, das vor ihm auf der dunklen Holzfläche stand. Er wartete, dass sich alles vollständig auflöste, während der Name des italienischen Wüstendorfes sich in seinem Gedächtnis immer mehr verdichtete und plötzlich deutlich hervortrat: Monticchio.

DER VEREHRER
    Betty Morgenthal hatte einen Verehrer. Er war jung, kaum dreißig, Assistenzarzt am Poliklinikum Neapel, und er hatte sie, am Kreis der interessierten Krankenschwestern vorbei, erwählt mit der Zielstrebigkeit eines abgeschossenen Pfeils. Nur flog dieserlangsam, und sie eilte langsam vor ihm davon. Im Operationssaal, wo ein Weglaufen nicht denkbar war, verbarg sich Anästhesistin Morgenthal hinter dem Schutzschild des senkrecht gespannten grünen Tuches, um ihrer vom Piepsen der Monitore und Pumpen der Beatmungsmaschine geordneten Arbeit ungestört

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