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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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fürchterlich; und während er gräßlich schrie und sich niemand herauswagte, ihm zu Hilfe zu kommen, kletterten alle Hausbewohner, soweit sie noch gut auf den Beinen waren, zum Fenster im ersten Stock hinaus, nur zwei, die krank zurückbleiben mußten, riefen um Hilfe.
    Man sorgte dafür, daß sie Pflegerinnen bekamen, die sie 70

    versorgten, aber die geflohenen Personen wurden niemals gefunden, bis sie nach dem Abklingen der Seuche wieder auftauchten; aber da ihnen nichts zu beweisen war, konnte man ihnen auch nichts anhaben.
    Es muß auch berücksichtigt werden, daß dies ja Gefängnisse ohne Gitter und Riegel waren, womit sonst jedes gewöhnliche Gefängnis versehen ist, und so konnten die Leute sich aus den Fenstern hinunterlassen, und das selbst vor den Augen des Wachmanns, indem sie Säbel oder Pistolen in der Hand hielten und den armen Schlucker über den Haufen zu schießen droh-ten, wenn er sich rühre oder um Hilfe rufe.
    In anderen Fällen hatte man Gärten oder Höfe oder Hinterhäuser, welche nur durch Mauern oder Zäune von den Nach-bargrundstücken getrennt waren; und dann ließ es sich, durch Freundschaft oder durch Bitten, erreichen, daß man über die Mauern oder über den Zaun zum Nachbarn hinüberklettern durfte und durch dessen Tür dann hinausgelangte; oder man gab den Bediensteten der Nachbarsleute Geld und wurde dafür von ihnen des Nachts hindurchgelassen; so daß, in einem Wort, das Schließen der Häuser keineswegs eine verläßliche Methode war. Auch diente sie ihrem Zweck überhaupt nicht, da sie mehr dazu beitrug, die Leute kopflos zu machen und sie dermaßen zum Äußersten zu treiben, daß sie auch vor den gewagtesten Ausbruchsversuchen nicht zurückschreckten.
    Und was noch schlimmer war, diejenigen, die auf diese Art wirklich entkamen, verbreiteten die Ansteckung, da sie, mit der Seuche im Leibe, unter so verzweifelten Umständen herum-wanderten, weitaus mehr, als sie es sonst getan hätten; jeder nämlich, der alle Einzelheiten dieser Fälle ins Auge faßt, muß zugestehen, und niemand von uns kann daran zweifeln, daß nur die Strenge der Abschließung viele Leute so verantwortungslos machte, daß sie ohne Rücksicht auf die Gefahr aus ihren Häusern fortliefen, auch wenn sie schon sichtbar von der Pest gezeichnet waren, und oft ohne zu wissen, wohin sie gehen 71

    oder was sie tun sollten, oder sogar, was sie getan hatten; und viele von ihnen litten furchtbare Entbehrungen und gerieten in äußerste Not und verendeten, weil ihnen das Nötigste mangelte, auf der Straße oder auf dem Felde oder fielen um, von der Heftigkeit des Fiebers, das in ihnen raste, getroffen. Andere irrten auf das Land hinaus und wanderten ziellos umher, nur von der Verzweiflung geleitet, nicht wissend, wohin sie gingen oder gehen wollten, bis sie erschöpft und todmüde, ohne je eine Erquickung zu bekommen, da die Häuser und Dörfer an der Straße ihnen, ob krank oder nicht, jedes Quartier verweigerten, am Straßenrand liegenblieben oder sich in Scheunen verkro-chen und dort starben; niemand wagte, ihnen beizustehen oder Linderung zu bringen, auch wenn sie vielleicht gar nicht von der Seuche befallen waren, denn keiner wollte ihnen glauben.
    Andererseits, wenn eine Familie zum erstenmal betroffen wurde, das soll heißen, wenn ein Mitglied der Familie ausgegangen war und, durch Unvorsichtigkeit oder sonstwie, sich die Ansteckung zugezogen hatte und sie mit nach Hause brachte, dann wurde es mit Bestimmtheit der Familie eher bekannt als den Beamten, die, wie man aus den Verordnungen ersehen kann, eingesetzt waren, bei allen erkrankten Personen eingehende Untersuchungen vorzunehmen, sobald sie von deren Erkrankung erfuhren.
    In dieser Zeit, zwischen der Ansteckung und dem Erscheinen des Gesundheitsinspektors, hatte der Hausherr alle Muße und Freiheit, allein oder mit seiner ganzen Familie fortzuziehen, wenn er einen Ort wußte, zu dem er gehen konnte, und das taten viele. Aber das große Unglück war, daß viele es taten, nachdem sie in Wirklichkeit selbst angesteckt waren, und auf diese Weise die Krankheit in die Häuser derer verschleppten, die so gastlich waren, sie aufzunehmen, und das war, das muß man sagen, recht grausam und undankbar.
    Und das war zum Teil auch der Grund der allgemeinen Meinung oder vielmehr für das Ärgernis, das sich überall herum-72

    sprach, nämlich daß die infizierten Menschen in einer Gemütsverfassung seien, wo sie sich nicht im geringsten darum kümmerten und es ihnen

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