Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
Vom Netzwerk:
Vorsehung, die ganze heißeste Zeit der Seuche hindurch bewahrt worden waren.
    Diese leichtsinnige und unvernünftige Aufführung, sage ich, ging bei den Leuten so weit, daß schließlich die Geistlichkeit darauf aufmerksam wurde und ihnen sowohl die Torheit als die Gefahr davon vor Augen hielt; und dies brachte ein wenig Besserung, und man wurde wieder vorsichtiger. Aber gegen eine andere Erscheinung konnte auf diese Art nichts ausgerichtet werden; da nämlich das erste Gerücht vom Nachlassen der Pest sich nicht nur in der Stadt, sondern auch auf das Land hin verbreitet hatte, zeitigte es dort eine ähnliche Wirkung, und die Leute hatten es so satt, entfernt von London zu leben, und waren so erpicht darauf zurückzukehren, daß sie ohne Furcht und ohne weitere Umstände in die Stadt strömten und sich wieder auf den Straßen ergingen, als sei alle Gefahr vorüber. Das war freilich befremdlich zu sehen, denn obwohl noch 1000 bis 1800 Menschen in der Woche starben, so strömten die Leute dennoch zur Stadt, als ob alles in bester Ordnung sei.
    Die Folge davon war, daß die Registerzahlen gleich in der ersten Novemberwoche wieder um 400 anstiegen; und wenn ich den Ärzten glauben darf, so wurden in der Woche mehr als 3000 krank, die meisten von ihnen außerdem Neuangekommene.
    Ein gewisser John Cook, ein Barbier im St. Martin-le-GrandViertel, war dafür ein typisches Beispiel; ich meine für die übereilte Rückkehr der Leute, als die Pest nachzulassen begann. Dieser John Cook hatte die Stadt mitsamt seiner Familie verlassen, hatte sein Haus verschlossen und war aufs Land gegangen, wie viele andere; und als er vernahm, die Pest sei im November so weit zurückgegangen, daß nur noch 905 in der Woche an allen Krankheiten zusammen gestorben waren, wagte er sich wieder auf den Weg nach Hause. Er hatte in seiner Familie zehn Personen; das heißt er selbst, seine Frau, fünf Kinder, zwei Lehrlinge und eine Dienstmagd. Er war noch keine Woche wieder im Hause, hatte die Werkstatt wieder in Betrieb und sein Geschäft im Gang, als die Seuche in seiner Familie ausbrach, und innerhalb von ungefähr fünf Tagen waren sie alle tot, außer einem; das heißt, er selbst, seine Frau, alle fünf Kinder und die beiden Lehrlinge waren gestorben, nur die Dienstmagd blieb am Leben.
    Aber das Erbarmen Gottes war größer, als wir für die übrigen Grund hatten zu erhoffen; den die Bösartigkeit der Seuche hatte sich, wie ich schon sagte, verbraucht, die Pest hatte sich erschöpft, und außerdem kam das Winterwetter nun mit Riesenschritten heran, und die Luft war klar und kalt infolge einiger scharfer Fröste; und da die Kälte sich noch steigerte, wurden die meisten Erkrankten wieder gesund, und die Stadt fing an, ihre Gesundheit wiederzuerlangen. Zwar gab es noch einige Nachzüglerfälle der Pest, bis sogar in den Dezember hinein, wo die Registerzahlen sich wieder um nahezu 100 vermehrten; aber das ging vorüber, und nach kurzer Zeit fing alles an, in sein altes Geleise zu kommen. Und wundervoll war es zu sehen, wie die Stadt plötzlich wieder voller Menschen war, so daß es einem Fremden nicht aufgefallen wäre, wie viele fehlten. Und was die Wohnungen angeht, so mangelte es nirgends an Bewohnern, leere Häuser waren wenig oder gar nicht zu sehen, und wenn es sie gab, so gab es dafür genug Mieter.
    Ich wünschte, ich könnte sagen, daß so wie sich das Angesicht der Stadt erneuert hatte, auch die Lebensart der Leute eine Auffrischung erfuhr. Zweifellos gab es viele, die ein aufrichtiges Gefühl für ihre Befreiung behielten und der hoheitsvollen Macht, die sie in einer so gefahrvollen Zeit beschützt hatte, von Herzen dankbar waren; es wäre sehr unfreundlich, wollte man in einer so volkreichen Stadt anders urteilen, in der die Leute gewiß noch so fromm waren, wie sie es zur Zeit der Heimsuchung bewiesen hatten; doch abgesehen von dem, was man innerhalb bestimmter Familien oder an einzelnen von solcher Haltung antreffen konnte, muß man sagen, daß die allgemeine Übung des Volkes die gleiche war wie zuvor und kaum einen Unterschied erkennen ließ.
    Einige meinten sogar, es sei schlimmer geworden; die Moral des Volkes sei von dem Zeitpunkt an gesunken; die Leute, von der Gefahr, die sie durchgemacht hatten, verhärtet, seien seither, wie Seeleute nach dem Sturm, böser, stumpfsinniger, unbedenklicher und in ihren Lastern und Sünden verhärteter denn je; aber so weit möchte ich nicht gehen. Es würde einen Geschichtsband von nicht

Weitere Kostenlose Bücher