Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
Hasst er mich, mag er mich, liebt er mich, Hochzeit
Vor Jahren, als die Züge noch auf vielen Nebenstrecken verkehrten, betrat eine Frau mit hoher, sommersprossiger Stirn und rötlichem Kraushaar den Bahnhof und erkundigte sich nach dem Versand von Möbeln.
Der Stationsvorsteher liebte es, mit Frauen seine Späßchen zu machen, insbesondere mit den unscheinbaren, denen das auch zu gefallen schien.
»Möbel?«, sagte er, als wäre noch nie jemand auf eine derartige Idee verfallen. »Tja. Na. Um was für Möbel geht’s denn?«
Ein Esszimmertisch und sechs Stühle. Eine komplette Schlafzimmereinrichtung, ein Sofa, ein Couchtisch, Beistelltische, eine Stehlampe. Außerdem eine Vitrine und ein Büfett.
»Halt mal stopp. Sie meinen, ein Haus voll.«
»So viel dürfte es kaum sein«, sagte sie. »Es sind keine Küchensachen dabei, und es reicht nur für ein Schlafzimmer.«
Ihre Zähne drängten sich in ihrem Mund vor, als machten sie sich auf einen Streit gefasst.
»Sie brauchen einen Möbelwagen.«
»Nein. Ich will sie mit der Bahn aufgeben. Sie sollen in den Westen, nach Saskatchewan.«
Sie sprach laut, als wäre er taub oder blöde, und etwas an ihrer Aussprache stimmte nicht. Eine Einfärbung. Er dachte an Holländisch – die Holländer zogen jetzt in die Gegend –, aber sie war nicht so drall wie die holländischen Frauen und hatte auch nicht deren hübsche rosa Haut und deren blondes Haar. Sie mochte noch keine vierzig sein, aber was half das? Sie war eben keine Schönheit.
Er wurde dienstlich.
»Erst einmal brauchen Sie einen Lastwagen, um sie von da, wo sie jetzt sind, hierher zu bringen. Und wir wollen mal schauen, ob es ein Ort in Saskatchewan ist, der an der Bahnstrecke liegt. Sonst müssen Sie dafür sorgen, dass sie abgeholt werden. Beispielsweise in Regina.«
»Es ist Gdynia«, sagte sie. »Das liegt an der Bahnstrecke.«
Er holte ein speckiges Kursbuch herunter, das an einem Nagel hing, und fragte sie, wie man das buchstabierte. Sie nahm sich den Bleistift, der auch an einer Schnur befestigt war, und schrieb auf einen Zettel aus ihrer Handtasche: GDYNIA .
»Aus welchem Land kommt das denn?«
Sie sagte, das wisse sie nicht.
Er griff sich den Bleistift, um die Zeilen im Kursbuch durchzugehen.
»Da gibt’s ja viel, wo nur Tschechen sind oder Ungarn oder Ukrainer«, sagte er. Im selben Moment fiel ihm ein, dass sie zu denen oder jenen gehören konnte. Aber schließlich sprach er nur die Wahrheit.
»Da haben wir’s, stimmt, es liegt an der Strecke.«
»Ja«, sagte sie. »Ich möchte die Möbel am Freitag aufgeben – lässt sich das machen?«
»Wir können sie dann verladen, aber ich kann Ihnen nicht mit Bestimmtheit sagen, an welchem Tag sie ankommen«, sagte er. »Das hängt davon ab, welcher Zug Vorrang hat. Ist jemand da, um sie in Empfang zu nehmen, wenn sie eintreffen?«
»Ja.«
»Am Freitag geht ein gemischter Zug, um vierzehn Uhr achtzehn. Der Lastwagen kann die Sachen Freitag früh abholen. Wohnen Sie hier in der Stadt?«
Sie nickte und schrieb die Adresse auf. Exhibition Road 106 .
Die Häuser in der Stadt waren erst vor kurzem nummeriert worden, und er konnte sich von dem angegebenen Ort kein Bild machen, obwohl er wusste, wo die Exhibition Road lag. Wenn sie zu dem Zeitpunkt den Namen McCauley genannt hätte, wäre sein Interesse vielleicht größer gewesen, und die Dinge hätten unter Umständen einen ganz anderen Lauf genommen. Da draußen standen neue Häuser, nach dem Krieg erbaut, obwohl sie »Kriegshäuser« genannt wurden. Er nahm an, dass es eines von denen war.
»Bezahlen Sie, wenn Sie die Sachen aufgeben«, sagte er.
»Außerdem möchte ich eine Fahrkarte für mich für denselben Zug. Freitagnachmittag.«
»Zum selben Fahrtziel?«
»Ja.«
»Sie können im selben Zug bis Toronto fahren, aber dann müssen Sie auf den Transcontinental warten, Abfahrt zweiundzwanzig Uhr dreißig. Möchten Sie Schlafwagen oder zweiter Klasse? Im Schlafwagen haben Sie ein Bett, zweiter Klasse sitzen Sie im Personenwagen.«
Sie wollte einen Sitzplatz.
»In Sudbury warten Sie auf den Zug von Montreal, aber Sie steigen da nicht aus, Sie werden abgekoppelt und an den Montreal-Zug angehängt. Dann weiter nach Port Arthur und dann nach Kenora. Sie bleiben im Zug bis Regina, und da müssen Sie aussteigen und die Regionalbahn nehmen.«
Sie nickte, als sollte er sich beeilen und ihr endlich die Fahrkarte geben.
Er ließ sich Zeit und sagte: »Aber ich kann Ihnen nicht versprechen,
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