Die Pest Zu London
gewaltig, daß ein Mann wohl hätte, so schien es, gegen jede Vernunft handeln müssen, hätte er auf ein Entkommen auch nur zu hoffen gewagt; und es gab ja auch kaum ein Haus außer dem meinen in der Nachbarschaft, das nicht infiziert war; darum hätte es, wäre es so weitergegangen, nicht lange gedauert, bis niemand mehr dagewesen wäre, der die Ansteckung noch hätte bekommen können. Man sollte es in der Tat kaum für möglich halten, was die letzten drei Wochen noch für fürchterliches Unheil angerichtet hatten, denn wenn ich der Person, deren Berechnungen ich immer sehr gut fundiert gefunden habe, Glauben schenken darf, dann waren in den drei Wochen, von denen ich spreche, nicht weniger als 30 000 Menschen gestorben und nahezu 100 000 krank geworden; und diese Zahl der Erkrankungen war unerwartet hoch, in der Tat, sie war niederschmetternd und alle, die bis dahin immer noch den guten Mut hochgehalten hatten, ließen ihn jetzt sinken.
Mitten in der Bedrängnis, als die Lage der Stadt London wahrhaft unselig war, gerade da gefiel es Gott, sozusagen mit eigener Hand den Feind zu entwaffnen; das Gift wurde aus dem Stachel genommen. Es war wunderbar; sogar die Ärzte selbst waren davon überrascht. Wo immer sie Besuche machten, fanden sie die Patienten besser vor; entweder hatten sie einmal gut schwitzen können, oder die Geschwülste waren aufgegangen, oder die Karbunkel gingen zurück, und die Entzündungen um sie herum änderten die Farbe, oder das Fieber war weg, oder der heftige Kopfschmerz hatte nachgelassen, oder sonst ein gutes Symptom hatte sich gezeigt; und so erholte sich in ein paar Tagen alles, ganze Familien, die an der Seuche darniederlagen, die schon die Geistlichen dahatten, um mit ihnen zu beten, da sie stündlich zu sterben meinten, kamen wieder hoch und wurden gesund, und kein einziger von ihnen starb.
Und dies geschah auch nicht, weil eine neue Medizin entdeckt worden wäre oder man hinter neue Heilmethoden gekommen wäre oder weil die Ärzte neue Erfahrungen in der Behandlung gewonnen hätten; sondern es kam offensichtlich von der unsichtbaren, verborgenen Hand dessen, der diese Seuche als ein Strafgericht überhaupt zu uns geschickt hatte; und mögen die Atheisten auf der ganzen Welt über diese meine Redeweise denken wie sie wollen, es ist keine Überspanntheit; es wurde damals auch von jedermann zugegeben. Die Krankheit war entkräftet und ihre Bösartigkeit verbraucht; und mag das gekommen sein, woher es mag, mögen die Philosophen in der Natur nach Gründen suchen, die es erklären, und mögen sie sich abmühen, so sehr sie wollen, um die Schuld zu verringern, in der sie bei ihrem Schöpfer stehen – diejenigen Ärzte, die von der Religion am allerwenigsten wissen wollten, mußten zugestehen, daß es alles übernatürlich war, daß es außergewöhnlich war und daß es keine Erklärung dafür gab.
Würde ich nun sagen, dies sei eine handgreifliche Aufforderung an uns alle zur Dankbarkeit, besonders für uns, die wir das Anwachsen dieses Schreckens erlebt hatten, dann würden vielleicht manche, jetzt, da man die Dinge nicht mehr so fühlt, dies für ein aufdringliches, scheinheiliges Gerede von religiösen Dingen halten; sie würden sagen, ich halte eine Predigt anstatt Geschichte zu schreiben, ich mache mich zum Lehrer anstatt meine Beobachtungen von Tatsachen mitzuteilen. Dies hält mich sehr davon zurück, hier fortzufahren, wie ich es sonst wohl getan hätte. Aber wenn zehn Aussätzige geheilt wurden und nur einer kehrte zurück, um Dank zu sagen, dann wünsche ich dieser eine zu sein und mich meinerseits dankbar zu erweisen.
Ich will auch gar nicht leugnen, daß es genug Menschen gab, die allem Anschein nach damals sehr dankbar waren; denn sie hatten alle genug davon, auch die, deren Herz nicht gerade lange davon erfüllt war. Aber damals war der Eindruck so mächtig, daß sich ihm niemand entziehen konnte, nein, auch die Schlechtesten nicht.
Es war nichts Ungewöhnliches, daß man auf der Straße Leute traf, die Fremde waren und von denen man nichts wußte, und sie drückten einem ihre Verwunderung aus. Als ich eines Tages durch das Aldgate ging und ziemlich viele Menschen auf und ab spazierten – kommt da ein Mann von den Minoriten her, schaut ein wenig die Straße hinauf und hinunter und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
»Mein Gott, was für eine Veränderung ist das! Nein! Letzte Woche erst kam ich hier entlang, und kaum eine Menschenseele war zu sehen.« Und einen
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