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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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anderen Mann höre ich, wie er hinzufügt: »Es ist alles ein Wunder; es ist alles ein Traum.« »Gott sei gepriesen«, sagt ein dritter, »und laßt uns Ihm danksagen, denn Er allein hat es getan, menschliche Hilfe, menschliches Wirken war am Ende.« Und diese Menschen waren alle einander fremd. Aber ein solches Sichanreden wie dieses kam Tag für Tag häufig vor; und trotz ihres losen Gehabens gingen auch die ganz gewöhnlichen Leute die Straße entlang und sagten Gott Dank für ihre Erlösung.
Nunmehr hatten, wie ich schon sagte, die Leute alle Furcht von sich geworfen, und das nur zu schnell; man hatte nun keine Angst mehr, an einem Mann mit einer weißen Mütze auf dem Kopf vorbeizukommen, oder an einem, der ein Tuch um den Hals gewickelt trug, oder an jemand, der auf einem Bein hinkte, weil ihn seine Wunde an den Lenden so schmerzte, und doch war das alles bis vor einer Woche noch der Gegenstand des äußersten Schreckens gewesen. Aber jetzt war die Straße voll von ihnen, und diese armen, genesenden Menschenkinder, das muß man ihnen lassen, schienen ihre unerwartete Heilung sehr dankbar zu empfinden. Ich würde ihnen großes Unrecht tun, wollte ich nicht anerkennen, daß, wie ich glaube, viele von ihnen ernsthaft dankbar gewesen sind. Aber ich muß bekennen, daß, was die Mehrzahl der Leute angeht, man auch von ihnen mit Recht sagen kann, was von den Kindern Israels gesagt worden ist, als sie nach ihrer Rettung vor den Heerscharen Pharaos das Rote Meer durchzogen hatten und zurückblickten und sahen, wie die Ägypter von den Wassern verschlungen wurden: Sie sangen Ihm Lobeslieder, aber vergaßen bald Seine Werke.
Ich kann nicht weitergehen. Man würde es mir als kritiksüchtig und vielleicht auch als Unrecht ankreiden, wollte ich mich nun an die unangenehme Aufgabe machen, Überlegungen über die, was immer ihre Gründe waren, Undankbarkeit und die Wiederkehr jeder Art von Bosheit unter uns anzustellen, wovon ich nur zuviel mit eigenen Augen zu sehen bekommen habe. Ich werde deshalb den Bericht über dieses unselige Jahr mit einer unbeholfenen, aber aufrichtigen Strophe von mir selbst beschließen, die ich in dem Jahr, in dem sie geschrieben wurde, an das Ende meiner alltäglichen Aufzeichnungen setzte:
    Im Jahre fünfundsechzig war’s, da hat’s
die graus’ge Pest in London gegeben.
Die hat wohl an die hunderttausend
hinweggeschafft, und ich bin noch am Leben.
H. F.

Nachwort
    O
hne Ankündigung, heimtückisch, unberechenbar trifft die Pest den Menschen. Im Jahr der großen Pest zu London, 1665
– auch noch lange danach –, wußte man nichts über sie, außer daß sie in Epidemien auftrat, die durch nichts wirksam zu beeinflussen waren, und daß die Fälle meist tödlich verliefen, besonders am Beginn einer neuen Heimsuchung. Die Angst vor dem Schwarzen Tod war allgemein tief verwurzelt, und das gerade in einer Zeit, in der die Bedrohung des Lebens durch Unfälle und Krankheiten weit höher war als heute. Seit mehr als dreihundert Jahren, seit 1347/48, schlug die Pest in unregelmäßigen Abständen in einzelnen Städten oder ganzen Landstrichen zu, holte ihren Tribut mitunter in einem Ausmaß, daß tiefgreifende soziale Umschichtungen die Folge waren. Erst 1894 wurde der Erreger, ein Bakterium, von A. Yersin und S. Kitasato entdeckt, die Übertragung durch Flohstiche, die Zwischenträgerschaft und Verbreitung durch Ratten aufgeklärt.
    1664, im Herbst, treten in London zwei Pestfälle auf. Zwei Franzosen erkranken und sterben in ihrem Logis »Long Acre, oder richtiger am oberen Ende von Drury Lane«. Man nimmt an, daß sie in Holland, von wo Kaufleute über eine Epidemie berichtet haben, infiziert worden waren. Diese Fälle werden zunächst ignoriert, ohne daß Defoe darauf eingeht, daß die Pest in London ja nicht unbekannt war, immer wieder vereinzelt aufgetreten war und daß 1636/1637 als Pestjahre in die Geschichte eingegangen waren.
    Weitere Fälle im Frühjahr 1665 werden verschwiegen, als Todesfälle durch Fleckfieber dargestellt und bagatellisiert.
Auch die örtliche Beschränkung auf zunächst ein bis zwei Pfarrsprengel wird als »Beruhigungspille« für die Bevölkerung gewertet. Wen erinnert das nicht an das Verhalten von Behörden bei Vorfällen aus jüngster Zeit? Bis zum Frühsommer funktioniert dieses System, dann jedoch kann die Ausweitung zu einer Epidemie nicht mehr verheimlicht werden. Entsetzen greift um sich, Massenflucht und damit verbunden Massenarbeitslosigkeit – Dienstboten,

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