Die Pfeiler des Glaubens
aufgestanden, um die Olivenernte zu Ende zu bringen. Rafaela war besorgt, ihr Körper gab erste Hinweise darauf, dass sie wieder schwanger war. Wie sollte sie in dieser Welt der Armut und der schweren körperlichen Arbeit noch ein Kind gebären? Am Vormittag machten sie eine Pause und stärkten sich. Da tauchte auf einmal Román – ein Greis, der den Weiler für gewöhnlich nicht verließ – in der Ferne auf. Er wies zwei Reitern den Weg und deutete mit seinem Stock auf Hernando und seine Familie.
»Don Pedro«, rief Miguel überrascht aus.
»Aber wer ist der andere Mann?«, fragte Rafaela besorgt.
»Hab keine Angst. Don Pedro würde uns niemals Böses wollen«, beschwichtigte Hernando sie, aber auch sein Tonfall klang ein wenig beunruhigt.
Er stand auf und ging den Besuchern einige Schritte entgegen. Das Lächeln, das die Mundwinkel des Adligen umspielte, ließen Hernandos Sorge schnell verfliegen. Er gab Rafaela ein Zeichen, auch näher zu kommen.
»Guten Tag«, begrüßte Don Pedro sie und saß ab.
»Friede sei mit dir«, grüßte Hernando seinen einstigen Mitstreiter.
Er ließ den Begleiter des Adligen nicht aus den Augen, einen Mann mittleren Alters, der vornehm, aber nicht im spanischen Stil gekleidet war. Sein Vollbart war sorgfältig gestutzt, und sein Blick war durchdringend.
»Willst du deine Ländereien begutachten?« Hernando lächelte und reichte Don Pedro de Granada die Hand.
»Nein«, antwortete dieser und erwiderte kräftig den Händedruck. Sein Lächeln wurde während ihrer Begrüßung noch herzlicher. Rafaela schmiegte sich an ihren Mann, während Miguel versuchte, etwas abseits die Kinder im Zaum zu halten.
»Ich bringe gute Neuigkeiten.«
Don Pedro suchte zwischen seinen Gewändern und zog dann ein Schriftstück hervor, das er Hernando feierlich überreichte.
»Willst du es nicht lesen?«, fragte er, als sein Freund das Dokument ungeöffnet in den Händen behielt.
Hernando betrachtete das Schriftstück: Es war versiegelt. Er prüfte das Siegel: Es trug das königliche Wappen. Er zögerte.
»Jetzt mach es endlich auf!«, drängte Rafaela ihn.
Auch Miguel konnte seine Neugierde nicht unterdrücken und schleppte sich mit den Kindern im Gefolge zu der Gruppe.
»Vater, macht es auf!« Hernando sah zu seinem Erstgeborenen. Er nickte und brach das Siegel.
Dann las er das Dokument mit lauter Stimme vor.
»Don Philipp, König von Gottes Gnaden über Kastilien, León und Aragonien, beider Sizilien, Jerusalem und Portugal, Navarra, Toledo, Valencia, Galicien und Mallorca …«, mit immer leiserer Stimme leierte er die Aufzählung der Titel Philipps III. herunter, »… Erzherzog von Österreich … Herzog von Burgund …« Schließlich las er nur noch schweigend weiter.
Niemand wagte, ihn zu unterbrechen. Rafaela rang aufgeregt die Hände und versuchte, die Worte von den Lippen ihres Mannes abzulesen.
»Der König …«, verkündete Hernando schließlich bewegt, »der König persönlich schließt uns vom Erlass der Vertreibung aus. Er gewährt uns unsere Anerkennung als Altchristen, und er gibt uns den Besitz zurück, der konfisziert wurde.«
Rafaela schluchzte auf, sie musste gleichzeitig lachen und wei nen.
»Dein nächstes Kind wird in Córdoba zur Welt kommen«, flüsterte sie ihrem Mann unter Tränen zu.
»Wie kann es sein?«, fragte Hernando den Adligen. Don Pedro bedeutete ihm mit einer Handbewegung, die Angelegenheit unter sich zu bereden. Und als sich die drei Männer kurz darauf entfernten, stellte sich auch Don Pedros Begleiter vor: André de Ronsard, ein Mitglied der französischen Gesandtschaft am spanischen Hof.
»Chevalier de Ronsard hat noch ein weiteres Schreiben für dich.«
Die drei Männer blieben im Schatten eines alten Ölbaumes stehen. Nun zog der Franzose ein Schriftstück aus seinen Gewändern hervor und überreichte es Hernando.
»Es ist von Ahmed I., dem Sultan von Konstantinopel«, erläuterte er. Als Hernando ihm einen fragenden Blick zuwarf, setzte der Franzose zu einer ausführlichen Erklärung an. »Wie Euch bekannt sein dürfte, sind viele Muslime im Zuge der Vertreibung Eures Volkes über die Grenze nach Frankreich geflüchtet. Bedauerlicherweise haben unsere Landsleute sie vielfach ausgeraubt, verprügelt oder sogar getötet. All diese Gewalttaten kamen Sultan Ahmed zu Ohren, der sogleich einen Sondergesandten an den französischen Hof schickte, der für die Deportierten vorsprechen sollte. Agí Ibrahim, so der Name des Gesandten, erreichte sein
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