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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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als er an der inzwischen von Rost überzogenen Klinge Barrax’ Blut erkennen konnte. Der Korsarenanführer! Er hatte gehofft, dass der Säbel im Mondlicht genauso funkeln würde wie vor Jahren, als er die Waffe zum ersten Mal in Hamids Hütte gesehen hatte. Doch den ersehnten Glanz entdeckte er nun in den weit aufgerissenen Augen seiner Söhne. Hernando ließ sich von seinen Erinnerungen davontragen, und noch einmal erschienen vor ihm Fatimas Augen wie Sterne in der Nacht.
    »Lange Zeit«, sagte er, »wurde dieser Säbel von Muslimen bewacht. Als wir dieses Gebiet noch beherrschten, wurde er mit Stolz vorgezeigt und mit Mut eingesetzt. Später, in der Zeit der Unterdrückung unseres Volkes, wurde er in der Erwartung eines neuen Sieges versteckt, der eines Tages kommen wird. Ihr dürft nie daran zweifeln. Heute sind wir ihnen so unterlegen wie noch nie, und unsere Glaubensbrüder wurden aus Spanien vertrieben. Aber bis das, was ich vorbereitet habe, Früchte tragen kann, müssen wir uns weiterhin wie Christen verhalten. Wir müssen ihre Sprache sprechen, ihre Speisen essen und ihre Gebete beten, aber ihr dürft den Mut nicht verlieren. Kinder, ich werde es wahrscheinlich selbst nicht mehr erleben, und ihr vermutlich auch nicht, aber eines Tages wird ein Gläubiger kommen und diesen Krummsäbel an sich nehmen und …« In Erinnerung an Hamids Worte von damals zögerte er einen Moment. Was sollte er seinen Söhnen mit auf den Weg geben? Dass mit dieser Waffe die Ungerechtigkeit gerächt werden würde? Doch trotz seines eigenen Grolls wollte er vermeiden, dass seine Kinder mit Hass in ihren Herzen aufwuchsen. »Und er wird diese Waffe erneut ans Licht bringen, als Symbol dafür, dass unser Volk die Freiheit wiedererrungen hat. Ihr dürft nie vergessen, wo sich der Säbel befindet und auf uns wartet, und wenn es in eurem Leben nicht mehr dazu kommt, müsst ihr dieses Wissen an eure Kinder weitergeben, so wie diese es ihren Kindern weitergeben werden. Niemals dürft ihr den Kampf für den einzigen Gott aufgeben. Schwört dies bei Allah!«
    »Ich schwöre es«, antwortete Amin feierlich.
    »Ich schwöre es«, sprach Muqla ihm nach.
    Auf ihrem Rückweg nach Viñas dachte Hernando lange über den Schwur nach, den er seinen Söhnen abgenommen hatte. Er hatte dafür gearbeitet, die beiden Religionen miteinander zu versöhnen. Er wollte erreichen, dass die Christen ihre Anwesenheit hinnahmen und ihnen ihre Lebensweise zugestanden … und dennoch hatte er seine Söhne gegen sie aufgehetzt. Mit welchem Ziel? Hernando war verwirrt. Zu den Bildern der Tausenden unterdrückten Morisken, die sich in El Arenal in Sevilla drängten und wie Vieh behandelt wurden, fügte sich die Erinnerung an den Tag, an dem ihm Hamid den Krummsäbel gegeben hatte. Damals hatten sie für ihr Überleben gekämpft, damals hatten sie ihr Leben für ihre Gesetze und ihre Sitten riskiert. Jetzt erlebten sie die demütigende Ausweisung aus Spanien. Und es blieben nur seine Familie und vermutlich ein paar wenige andere Muslime, die sich in abgelegenen Dörfern versteckt hielten. Wo war das gegenseitige Verständnis, auf das er gesetzt hatte?
    Als sie in der Nacht zurückwanderten, legte er seinen Söhnen die Arme um die Schultern und zog sie an sich. Diese beiden Jungen sollten die Flamme der Hoffnung für ihr gedemütigtes Volk bewahren. Gewiss, es war nur ein schwaches Feuer, aber: Jeder Flächenbrand beginnt mit einem winzigen Funkenschlag!
    Miguel kehrte nach fast zwanzig Tagen in die Alpujarras zurück. Er saß auf einem neuen Maultier, und Don Pedro de Granada Venegas begleitete ihn. Der Adlige kam allein, ohne Gefolge. Don Pedro bot ihnen an, jederzeit in Campotéjar Zuflucht zu nehmen, auf seinem Lehen an der Grenze zwischen den Reichen Granada und Jaén. Aber sie müssten sich als Christen ausgeben, die aus der Stadt Granada dorthin gezogen waren. Don Pedro würde ihnen gefälschte Dokumente beschaffen, die sie als Bewohner der Stadt Granada und als Altchristen auswiesen. Hernando würde in Zukunft Santiago Pastor heißen und Rafaela den Namen Consolación Almenar annehmen. Niemand würde sich über ihren Umzug wundern. Seit der Vertreibung der Morisken waren ganze Dörfer entvölkert, und ohne Landarbeiter blieben die Felder unbestellt. Das galt nicht nur für das Reich Valencia, sondern auch für die Ländereien der Familie Granada Venegas.
    Don Pedro überreichte Hernando zwei Briefe: Ein Schreiben war an den Diener gerichtet, der mit den

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