Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Gruppenreisen ins Ausland und flog deshalb häufig dienstlich nach Übersee. Tsukuru arbeitete bei einer Eisenbahngesellschaft. Seine Abteilung war für die Planung von Bahnhöfen (seine Berufung) im westlichen Kanto-Gebiet, also Tokio und Umgebung, zuständig. Zwar standen sie beruflich in keiner direkten Beziehung, aber da sie im weiteren Sinne etwas mit dem Transportwesen zu tun hatten, waren beide zu einer Einweihungsparty von einem von Tsukurus Vorgesetzten eingeladen worden. Sie hatten E-Mail-Adressen ausgetauscht und waren seither vier Mal miteinander aus gewesen. Beim dritten Mal waren sie nach dem Essen in seine Wohnung gegangen und hatten Sex gehabt. Alles hatte sich ganz natürlich ergeben. Das war vor einer Woche gewesen. Ein vielversprechender Verlauf. Wenn es so weiterging, würde sich vielleicht eine feste Beziehung zwischen den beiden entwickeln. Er war sechsunddreißig, sie achtunddreißig Jahre alt. Selbstverständlich war das etwas ganz anderes als eine Schülerliebe.
Von Anfang an übte Saras Gesicht eine seltsame Anziehungskraft auf Tsukuru aus, auch wenn sie nicht im herkömmlichen Sinne schön war. Ihre vorstehenden Wangenknochen gaben ihr ein etwas eigensinniges Aussehen, und ihre Nase war schmal und ein wenig spitz. Aber ihr Ausdruck war äußerst lebendig, und das zog ihn an. So weiteten ihre schmalen Augen sich bisweilen ganz plötzlich, wenn etwas ihr Interesse erregte, und zwei schwarze, von Neugier erfüllte Pupillen blitzten darin auf.
Tsukuru hatte an seinem Rücken eine außergewöhnlich empfindsame Stelle. Sie war unsichtbar, diese wundersam weiche und verborgene Stelle, die er selbst nicht berühren konnte. Aber wenn er es am wenigsten erwartete, machte sie sich plötzlich bemerkbar, als würde jemand mit dem Finger darauf drücken. In solchen Momenten wurde in seinem Inneren eine Substanz freigesetzt und über die Blutbahn in jeden Winkel seines Körpers transportiert, die ihn zugleich körperlich und geistig erregte.
Als er Sara das erste Mal begegnet war, hatte er das Gefühl gehabt, dass sich unsichtbare Finger mit aller Kraft auf diese Stelle pressten. An jenem ersten Abend hatten die beiden sich ziemlich lange unterhalten, aber er wusste nicht mehr, worüber. Das Einzige, woran er sich erinnerte, war die plötzliche Empfindung am Rücken und die erstaunliche, kaum zu beschreibende Erregung, die seinen Körper und Geist ergriffen hatte. Er fühlte sich einerseits gelöst, andererseits angespannt. Tsukuru Tazaki dachte mehrere Tage lang darüber nach, was das wohl zu bedeuten hatte. Aber über abstrakte Dinge nachzudenken war nie seine Stärke gewesen. Also schickte er Sara eine Mail und lud sie zum Essen ein. Um zu erkunden, was diese Gefühle und diese Erregung bedeuteten.
Ebenso sehr wie Saras Aussehen gefiel ihm die Art, wie sie sich kleidete. Ihre Sachen waren schlicht und schön geschnitten. Und sie fühlte sich offensichtlich wohl darin. Der Gesamteindruck war unauffällig, aber er konnte sich gut vorstellen, dass die Auswahl ihrer Garderobe sie ziemlich viel Zeit und ein erhebliches Maß an Überlegung kostete. Der passende Schmuck und ihr Make-up waren elegant und dezent. Auf seine eigene Kleidung legte Tsukuru keinen besonderen Wert, aber es hatte ihm schon immer gefallen, wenn eine Frau gut angezogen war. Er wusste es zu schätzen wie schöne Musik.
Seine beiden älteren Schwestern achteten sehr auf ihre Kleidung und hatten, bevor sie zu einer Verabredung gingen, den kleinen Tsukuru häufig beiseitegenommen und ihn gefragt, wie er dieses oder jenes Kleidungsstück finde oder ob dieses zu jenem passte. Warum, wusste er nicht, aber er hatte stets ernsthaft seine Meinung als Mann geäußert. Und meist hatten seine Schwestern auf den kleinen Bruder gehört, und er hatte sich darüber gefreut. So hatte er sich einen Blick für weibliche Garderobe angeeignet.
Während Tsukuru an seinem Highball nippte, stellte er sich insgeheim vor, wie er Sara ihr Kleid ausziehen würde. Den Haken öffnen und sacht den Reißverschluss herunterziehen. Er hatte erst ein Mal mit ihr geschlafen, aber der Sex mit ihr war schön und befriedigend gewesen. Angezogen wie nackt wirkte Sara um fünf Jahre jünger, als sie war. Sie hatte helle Haut, ihre Brüste waren nicht groß, hatten aber eine hübsche runde Form. Es war schön, ihre Haut zu streicheln und sie in den Armen zu halten, nachdem er mit ihr geschlafen hatte. Natürlich reichte das nicht aus. Das wusste Tsukuru. Wenn man etwas
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