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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Summe nennen; nur bloß was Nettes, was Sinniges muß es sein.«
    »Nu, ich denke mir eine Primel.«
    »Gut, Primel. Primel paßt ganz vorzüglich. Primel oder Primula veris, das ist nämlich der lateinische Name, heißt soviel wie Frühlingsanfang, und Mutter wird siebenundfünfzig. Und sieh, das ist das, was ich sinnig nenne.«
    »Und dann, junger Herr, vielleicht noch eine Tüte mit Mehlweißchen; die ißt sie für ihr Leben gern. Aber knusprige, nicht solche, die sich so ziehen wie Leder.«
    »Auch gut. Also Primel und Mehlweißchen, knusprig und alle weiß bestreut. Aber es ist schon so spät; ich glaube, man kriegt keine mehr.«
    »Nein, heute nicht mehr; ich besorge sie aber morgen früh. Vor neun wird ja doch nich aufgebaut, denn es muß doch erst überall warm sein und auch alles ein bißchen in Ordnung.«
    Unter diesen Worten begann Friederike die herumstehenden Teller und Gläser abzuräumen und setzte dafür den halben Edamer, der eigentlich nur noch eine rote Schale war, auf den Tisch. Aber das tat nichts. Leo hatte schon sein kleines Taschenmesser, weil ihm das am handlichsten war, herausgenommen und schabte damit die guten Stellen mit vieler Geschicklichkeit heraus, immer versichernd, daß, wenn man noch was fände, wo eigentlich nichts mehr zu finden sei, das sei jedesmal das beste und darin läge auch was Sinniges. »Ja, Friederike, so muß man leben, immer so die kleinen Freuden aufpicken, bis das große Glück kommt...«
    »Ja, wenn es bloß kommt...«
    »Und wenn es nicht kommt, dann hat man wenigstens die kleinen Glücke gehabt.«
    Und dabei setzte er den ausgehöhlten Edamer auf seinen linken Zeigefinger und drehte ihn erst langsam und dann immer rascher herum, wie einen kleinen Halbglobus.
    »Sieh, das hier oben, das ist die Nordhälfte. Und hier unten, wo gar nichts ist, da liegt Afrika.«
     
Sechstes Kapitel
     
    Leo war in der guten Stube untergebracht worden und schlief hier unbequem, aber fest auf dem kleinen Rohrsofa, das für gewöhnlich in der Schlafstube stand. Er wurde nur einen Augenblick wach, als Friederike kam, um einzuheizen, fiel aber rasch wieder in einen ruhigen Morgenschlaf zurück, als er nebenan in der einfenstrigen Wohnstube das Knacken und Knistern des Holzes und bald darauf das Klappern der Ofentür hörte.
    Gegen halb neun erst kam Manon, um ihn zu wecken. »Aufstehn, Leo; es ist höchste Zeit. Wir können Mama nicht länger im Bett halten.« Und nun sprang er auf und machte mit soldatischer Schnelligkeit seine Toilette. Der Pfeilerspiegel über der Konsole präsentierte sich dabei stattlich genug, alles übrige aber war desto primitiver: ein Küchenstuhl mit Waschbecken und Handtuch, ein Glas und eine Wasserkaraffe. Was er sonst noch brauchte, nahm er aus seinem Koffer.
    »Guten Morgen, meine Damen«, mit diesen Worten trat er bei den Schwestern ein und gab jeder einen Kuß. Es war schon recht hübsch warm in dem kleinen Zimmer. Auf einem alten Klavier lagen und standen die für die Mama bestimmten Geschenke noch wirr und ungeordnet umher, denn sie sollten, wie selbstverständlich, nicht hier, sondern in der guten Stube, die noch erst in Stand zu setzen war, aufgebaut werden. Das geschah denn auch, und nun hatte man über alles einen Überblick: eine Morgenhaube, zwei Paar Zwirnhandschuhe und ein Paar Filzschuhe. Von Friederike war eine Erika gestiftet, zwischen den zwei Filzschuhen stand Leos Primel und die Tüte, Leo selbst aber riß noch rasch ein Blatt aus seinem Notizbuch, um ein paar Zeilen aufzuschreiben, und schob diese dann zwischen die beiden blaßlilafarbenen Primelblüten. »Ein Bild meines Glücks«, sagte er zu der neben ihm stehenden Sophie; »zwei Blüten und blaßlila.« Nun endlich konnte auch die schon ungeduldig werdende Mutter aus ihrer Schlafstube befreit und an den Geburtstagstisch geführt werden. Leo und die zwei jüngeren Schwestern küßten ihr die Hand, während sich Therese mit einem Backenkuß begnügte. »Gott, Kinder, so vielerlei«, sagte die gute alte Dame. »Und wie ausgesucht. Ja, die Filzschuhe haben mir gefehlt; ich hab es immer so kalt. Und die Primel und noch dazu mit einem Spruch.« Und sie nahm den Zettel und las: »›Eine Primel, von deinem...‹ Ja, ja, Leo, das bist du; du hast das Wort nicht ausgeschrieben, aber das war auch nicht nötig. Na, der liebe Gott meint es ja gut mit uns allen, und vielleicht hilft er dir auch noch.«
    »Natürlich, Mutter«, sagte Therese, »du darfst ihn nicht so herabstimmen. Er muß sein

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