Die Poggenpuhls
vierteljährlichen Zinsen empfangen, so daß sich Ihre Jahreseinnahmen um etwa sechshundert Taler verbessern werden. Das Kapital ist unkündbar. Nur im Falle sich eine Ihrer Töchter verheiraten sollte, wird ihr ihr Anteil ausgezahlt. Wenn sich alle drei verheiraten, würde für Sie, meine gnädige Frau, nur ein Geringes übrigbleiben, aber Ihnen verbliebe dann die ganze staatliche Pension, und ich weiß von vielen Jahren her, wie anspruchslos Sie Ihr Leben einzurichten wissen.«
Die Majorin war so gerührt, daß sie stumm dasaß und vor sich hin blickte, während die Generalin fortfuhr: »Dann sind da freilich noch die Söhne, und die sollen nicht vergessen sein. Aber das ist eine Privatsache, die das andere nicht berührt; sie werden sich mit kleinen einmaligen Geschenken ihrer Tante begnügen müssen. Ich habe vor, an Wendelin, der ein guter Wirt ist und den Wert des Geldes kennt, tausend Taler zu schicken, an Leo fünfhundert. Leo wird sich davon einen guten Tag machen; er ist ein Leichtfuß, woran ich aber keine moralischen Betrachtungen knüpfe, denn auch die Leichtfüße sind mir sympathisch, vorausgesetzt, daß Anstand und gute Gesinnung in dem leichten Leben nicht untergehen. Für meine teure Sophie behalte ich mir noch Sonderentschlüsse vor. Das war es, meine liebe Frau Majorin, was ich Ihnen vor Ihrer Abreise noch mitteilen wollte.«
Die Sonne schimmerte gedämpften Lichts durch die noch dicht in Laub stehenden Bäume, auf das Rondel und die Beete aber, die sich vor der Veranda ausdehnten, fiel ihr voller Schein, und die noch hie und da blühenden Balsaminen und Verbenen leuchteten auf in einem helleren Weiß und Rot. Von dem Gutshof her stiegen Tauben auf und flogen hoch über den Garten hin, auf den Kirchturm zu, den sie umschwärmten, ehe sie sich auf den kupfernen Helm und den First des Daches niederließen.
Die Majorin wollte der Generalin die Hand küssen, aber diese umarmte sie und küßte sie auf die Stirn.
»Ich bin glücklicher als Sie«, sagte die Generalin.
»Das sind Sie, gnädige Frau. Glücklich machen ist das höchste Glück. Es war mir nicht beschieden. Aber auch dankbar empfangen können ist ein Glück.«
Fünfzehntes Kapitel
An dem Tage, an dem die Poggenpuhls zurückerwartet wurden, war nicht bloß Friederike, sondern auch die Portierfamilie in einer gewissen Aufregung. Es hing dies, soweit die Nebelungs in Betracht kamen, mit dem zufälligen Umstande zusammen, daß infolge Verreistseins eines in der zweiten Etage wohnenden freikonservativen Geheimrats die für diesen bestimmten Zeitungen unten in der Portierwohnung abgegeben und von dem ebenso neugierigen wie gern faulenzenden Nebelung (seine Frau mußte sich dafür quälen) je nach Laune durchstudiert oder auch bloß überflogen wurden. Unter diesen Zeitungen war auch die »Post«, in der in der heutigen Morgennummer des Hinscheidens des Generalmajors von Poggenpuhl kurz Erwähnung geschehen war, unter gleichzeitiger Anfügung der Worte: »Siehe auch die Todesanzeigen.« Auf diese stürzte sich nun unser Nebelung sofort, und als er die schwarz umränderte Anzeige gefunden und mit einem gewissen Grinsen aufmerksam gelesen hatte, schob er das Blatt seiner vierzehnjährigen, mit ihren zwei Brüdern gerade beim Nachmittagskaffee sitzenden Tochter Agnes zu und sagte: »Da, Agnes, lies mal; das da, wo die dicken schwarzen Striche sind.« Und Agnes, die nicht bloß bleichsüchtig, sondern wegen ihrer Figur und ihrer Vorliebe für die »Jungfrau von Orleans« auch fürs Theater bestimmt war, las, während alles aufhorchte:
»Heute starb, 67 Jahre alt, auf Schloß Adamsdorf in Schlesien unser teurer Gatte, Schwager und Oheim, der Generalmajor a. D.
Eberhard Pogge von Poggenpuhl,
Ritter des Eisernen Kreuzes I. Klasse wie des Ordens Albrechts des Bären. Dies zeigen statt jeder besonderen Meldung an die tiefbetrübten Hinterbliebenen
Josephine Pogge von Poggenpuhl, geb. Bienengräber, verwitwete Freiin von Leysewitz, als Gattin
Albertine Pogge von Poggenpuhl, geb. Pütter, verwitwete Majorin, als Schwägerin
Wendelin Pogge von Poggenpuhl, Premierleutnant im Grenadier-Reg. von Trzebiatowski
Leo Pogge von Poggenpuhl, Sekondleutnant im Grenadier-Reg. von Trzebiatowski
Therese Pogge von Poggenpuhl
Sophie Pogge von Poggenpuhl
Manon Pogge von Poggenpuhl, als Neffen und Nichten.«
Agnes, deren etwas käseweißes Gesicht bei dem Vortrag all dieser Namen – nur den polnischen Regimentsnamen brachte sie
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