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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nicht recht zustande – ganz rot geworden war, legte das Blatt aus der Hand, während der Alte mit breitem Behagen sagte: »Na, so was von Poggen; ich hör es ordentlich quaken« – ein Witz, der von dem johlenden Beifall seiner beiden Jungens (echter Nebelungs) sofort begleitet wurde. Die Tochter aber, die sich von ihrem dramatischen Vortrag eine ganz andere Wirkung versprochen hatte, stand auf und sagte, während sie hinausging, zu der etwas seitab sitzenden Mutter: »Ich weiß nicht, Vater ist heute wieder so ordinär« – eine Bemerkung, die die kränkliche, immer verärgerte Frau durch mehrmaliges Kopfnicken bestätigte. Nebelung selbst aber rief der in der Tür eben verschwindenden Tochter nach: »Sei nich so frech, Kröte; – noch bist du nich dabei.«
     
    In gewissem Sinne hatte Agnes ihrem Vater unrecht getan. In der Tiefe seiner Seele fühlte sich Nebelung gar nicht so unberührt von dem allen, er hatte sich vielmehr, als echter Berliner, nur den durch die glänzende Namensaufzählung empfangenen Eindruck wegschwadronieren wollen. Andrerseits freilich war er aufrichtig unwirsch, daß ihm das »pauvre Volk da oben« mit einmal als etwas Besonderes aufgezwungen werden sollte. Das sei doch alles bloß zum Lachen, der reine Unsinn. Aber wie immer auch, während er sich noch dagegen sträubte, war er doch auch schon wieder bereit, gute Miene zum bösen Spiele zu machen, und die Gelegenheit dazu bot sich bald.
    Es mochte halb fünf sein (die Jungens waren eben aus der Schule nach Hause gekommen), als die Streitszene zwischen Vater und Tochter gespielt hatte, und keine Stunde mehr, so kam auch schon eine Droschke mit Reisekoffer die Großgörschenstraße herauf. Das ganze Haus wartete. Wie Friederike, so hatten sich auch die Nebelungs unten aufgepflanzt, allerdings in sehr verschiedenen Stellungen und Beschäftigungen; die beiden Jungens lehnten sich an die Hauswand, halb neugierig, halb bummelig, weil sie dem »freien deutschen Mann« in ihnen nichts vergeben wollten, Nebelung selbst aber, eine Art Fes auf dem Kopfe, patrouillierte das Trottoir auf und ab, während Agnes, wie wenn es sich um ihr Auftreten etwa als Mondecar oder irgend sonst ein spanisches Hoffräulein gehandelt hätte, schlank und aufrecht in der offenstehenden Haustüre stand. Als die Frau Majorin an ihr vorüberging, machte sie einen gut einstudierten Hofknicks, der sich gesteigert wiederholte, als gleich danach Therese kam. War diese doch die einzige der Familie, die noch unentwegt den langen Trauerschleier trug, was ihr, samt ihrer funebren Haltung, auch schon unterwegs allerlei Huldigungen eingetragen hatte. Man hatte sie für eine junge Offizierswitwe gehalten, deren Mann in einem schlesischen Bade gestorben sei.
    Hart neben dem Bürgersteige hielt noch immer die Droschke, mit deren Kutscher, einem ziemlich verschmitzt dreinschauenden Manne, Manon und Sophie wegen Heraufschaffung des Koffers parlamentierten; »er könne nicht von dem Pferde weg, er käme sonst in Strafe«, so hieß es seinerseits immer wieder. In diesem Verlegenheitsmoment aber trat der sonst so zugeknöpfte Nebelung an die beiden jungen Damen heran und erklärte sich unter gefälliger Lüftung seines Fes bereit, den großen Koffer in die Wohnung hinaufzutragen. »Ach, Herr Nebelung...«, sagte Sophie. Dieser aber hatte schon Hand angelegt, wuchtete den Koffer ziemlich geschickt auf seine Schulter und ließ sich auch nicht irremachen, als ihm der in seiner Diplomatie verunglückte Droschkenkutscher spöttisch nachrief: »Na, schaden Sie sich man nich.«
    Es hatte damit aber gute Wege, denn der Koffer, so groß er war, war nicht schwer, und Nebelung schien kaum außer Atem, als er oben ankam. Friederike nahm ihm den Koffer ab, und im selben Augenblicke sagte Sophie: »Bitte, Herr Nebelung... Ich danke Ihnen.« Unten aber, in seine Portierloge zurückgekehrt, warf Nebelung ein blankes Markstück auf den Tisch und sagte: »Da, Mutter,
das
muß in die Sparbüchse. Pogge von Poggenpuhl... Un noch dazu von Sophiechen... Jungferngeld; das heckt.«
    Agnes, die nur die Schlußworte gehört hatte, drehte sich verächtlich um.
     
    An der Türeinfassung oben hing ein halber Papierbogen mit »Willkommen« von Friederikens eigener Hand. Aus Schreibunsicherheit oder vielleicht auch aus Ersparnis hatten die Buchstaben alle keinen rechten Tintenkorpus, sondern bestanden bloß aus zwei nebeneinanderherlaufenden Linien. In der Blumenschale vor dem Bilde des Sohrschen befanden sich rote

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