Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)

Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)

Titel: Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
Vom Netzwerk:
Gefühl, daß mir das eigentlich kein Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Aber in meiner jetzigen Lage war er einer der Schlüssel zu meiner Vergangenheit und wahrscheinlich auch zu meiner Zukunft. Ich würde also versuchen, ihm nach besten Kräften zu helfen, bis ich erfahren hatte, was ich von ihm wissen wollte. Ich wußte, daß zwischen uns nicht gerade die stärkste Bruderliebe herrschte. Aber ich wußte auch, daß er kein Dummkopf war; er hatte Ideen und Köpfchen und reagierte auf die verrücktesten Dinge seltsam sentimental; andererseits war sein Wort nicht die Spucke wert, die er dabei verbrauchte, und er hätte meine Leiche vermutlich an die nächste Universität verkauft, wenn er genug dafür bekommen konnte. Ich erinnerte mich gut an den kleinen Schwindler – mit einem schwachen Hauch von Zuneigung, vielleicht wegen ein paar hübscher Stunden, die wir zusammen verbracht hatten. Aber ihm vertrauen? Niemals! Ich beschloß, Flora erst im letzten Augenblick zu sagen, daß er im Anmarsch war.Er mochte mir als As im Ärmel nützlich sein.
    Also schüttete ich noch etwas heißen Kaffee zu den Resten in meiner Tasse und trank langsam.
    Vor wem rückte er aus?
    Jedenfalls nicht vor Eric, denn sonst hätte er nicht hier angerufen. Später beschäftigte mich Randoms Frage, ob Flora etwa tot war, nur weil ich zufällig hier war. War sie wirklich so sehr mit dem von mir gehaßten Bruder verbündet, daß in der Familie das Gerücht umging, ich würde sie ebenfalls umbringen, wenn ich die Chance dazu erhielt? Die Vorstellung erschien mir seltsam, aber schließlich kam die Frage von ihm.
    Und was war das eigentlich, weswegen sie sich verbündet hatten? Was war die Ursache dieser Spannung, dieser Opposition? Wie kam es, daß Random auf der Flucht war?
    Amber.
    Das war die Antwort.
    Amber. Irgendwie lag der Schlüssel zu allem in Amber. Das Geheimnis des Durcheinanders war in Amber zu finden, lag in einem Ereignis, das sich dort abgespielt hatte – vor gar nicht so langer Zeit, würde ich meinen. Ich mußte mich in acht nehmen. Ich mußte ein Wissen vortäuschen, das ich nicht besaß, während ich mir die Kenntnisse Stück um Stück von jenen holte, die Bescheid wußten. Ich war zuversichtlich, daß ich es schaffen konnte. Es gab soviel Mißtrauen ringsum, daß sich jeder vorsichtig gab. Und das wollte ich mir zunutze machen. Ich würde mir holen, was ich brauchte, und nehmen, was ich wollte; ich würde mir jene merken, die mir halfen, und die übrigen verdrängen. Denn dies, das wußte ich, war das Gesetz, nach dem unsere Familie lebte, und ich war ein echter Sohn meines Vaters ...
    Plötzlich machten sich wieder meine Kopfschmerzen bemerkbar, bohrend, pulsierend, als wollte mir die Schädeldecke zerplatzen.
    Der Gedanke an meinen Vater mußte diesen Anfall ausgelöst haben, dachte ich, vermutete ich, fühlte ich ... Aber ich wußte nicht, warum oder wie es dazu gekommen war.
    Nach einer gewissen Zeit ließen die Schmerzen nach, und ich schlief im Stuhl ein. Nach einer viel längeren Zeit ging die Tür auf, und Flora trat ein. Wieder war
es
draußen Nacht.
    Sie trug eine grüne Seidenbluse und einen langen grauen Wollrock. Ihre Füße steckten in Ausgehschuhen und dicken Strümpfen. Das Haar hatte sie hinter dem Kopf zusammengesteckt, und sie wirkte ein wenig bleich. Wie zuvor hatte sie ihre Hundepfeife bei sich.
    »Guten Abend«, sagte ich und stand auf.
    Aber sie antwortete nicht. Statt dessen ging sie durch den Raum zur Bar, schenkte sich einen Schuß Jack Daniels ein und kippte den Alkohol wie ein Mann hinunter. Dann machte sie sich einen zweiten Drink, den sie mit zu dem großen Sessel nahm.
    Ich zündete eine Zigarette an und reichte sie ihr.
    Sie nickte und sagte: »Die Straße nach Amber – ist schwierig.«
    »Warum?«
    Sie warf mir einen verwirrten Blick zu.
    »Wann hast du sie das letztemal zu begehen versucht?«
    Ich zuckte die Achseln. »Weiß ich nicht mehr.«
    »Bitte sehr, wenn du dich anstellen willst«, sagte sie. »Ich hatte mich nur gefragt, wieviel davon dein Werk war.«
    Ich antwortete nicht, denn ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Aber im nächsten Augenblick fiel mir ein, daß es eine einfachere Methode gab als die Straße, um nach Amber zu kommen. Offensichtlich wußte sie nichts davon.
    »Dir fehlen ein paar Trümpfe«, sagte ich plötzlich mit einer Stimme, die der meinen fast nicht mehr ähnlich klang.
    Da sprang sie auf, verschüttete den Drink über ihre Hand.
    »Gib sie mir zurück!«

Weitere Kostenlose Bücher