Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Die drei waren ins Freie getreten und ein Stück den Hang herabgekommen, waren dann aber stehengeblieben. Warum? Warum rührten sie sich nicht mehr?
Was machte das noch? Ich hatte genug Zeit, um anzufangen. Ich begann den Fuß zu heben, begann voranzuschreiten.
Aber ich konnte mich kaum bewegen. Mit großer Willensanstrengung schob ich den Fuß zentimeterweise voran. Dieser erste Schritt erwies sich als schlimmer als der letzte Teil des Musters. Aber ich schien weniger gegen einen äußeren Widerstand kämpfen zu müssen als gegen eine Trägheit meines eigenen Körpers. Es war beinahe, als würde ich ...
Plötzlich sah ich die Vision Benedicts neben dem Muster in Tir-na Nog´th, während Brand sich spöttisch näherte, das lodernde Juwel auf der Brust.
Ehe ich den Blick senkte, wußte ich, was ich sehen würde.
Der rote Stein pulsierte im Takt meines Herzschlags.
Verdammt sollten sie sein!
In diesem Augenblick wirkten Vater oder Dworkin – oder beide – durch den Stein auf mich ein und lahmten mich. Ich bezweifelte nicht, daß die beiden jeweils auch allein über das Juwel gebieten konnten. Auf diese Entfernung wollte ich mich allerdings nicht ohne Gegenwehr in mein Schicksal ergeben.
Ich drängte weiter mit dem Fuß, ließ ihn langsam auf den Rand des Musters zugleiten. Sobald ich es berührte, hatten sie gewiß keine Gewalt mehr über mich ...
Dösen ... Ich spürte, wie ich zu fallen begann. Ich war eine Sekunde lang eingeschlafen. Und wieder verschwand meine Umwelt für kurze Zeit. Als ich die Augen öffnete, sah ich ein Stück des Musters vor mir. Als ich den Kopf drehte, erblickte ich Füße. Als ich aufblickte, entdeckte ich meinen Vater über mir, das Juwel in der Hand haltend.
»Geht jetzt!« sagte er zu Dworkin und Fiona, ohne den Kopf in ihre Richtung zu wenden.
Die beiden zogen sich zurück. Im gleichen Augenblick hängte er sich das Juwel wieder um. Anschließend beugte er sich vor und streckte mir die Hand hin. Ich ergriff sie, und er zog mich hoch.
»Das war sehr töricht gehandelt«, sagte er.
»Beinahe hätte ich´s geschafft.«
Er nickte.
»Aber du wärst dabei umgekommen, ohne etwas zu erreichen«, meinte er. »Trotzdem hast du es geschickt angestellt. Komm, machen wir einen Spaziergang!«
Er faßte mich am Arm, und wir wanderten am Rand des Musters entlang.
Ich beobachtete das seltsame Himmelsmeer, das uns horizontlos umgab, und fragte mich, was geschehen wäre, wenn ich das Muster betreten hätte, was sich in diesem Augenblick abspielen würde.
»Du hast dich verändert«, sagte er schließlich. »Oder ich habe dich nie richtig gekannt.«
Ich zuckte die Achseln.
»Vielleicht spielen beide Elemente hinein. Etwas Ähnliches wollte ich gerade über dich sagen. Verrätst du mir etwas?«
»Was?«
»Wie schwer ist dir die Rolle als Ganelon gefallen?«
Er lachte leise. »Gar nicht schwer«, gab er zurück. »Durch ihn magst du einen Eindruck von meinem wirklichen Ich bekommen haben.«
»Er gefiel mir. Ich meine, du als er. Was ist nur mit dem echten Ganelon?«
»Der ist tot, Corwin. Ich traf ihn, nachdem du ihn aus Avalon verbannt hattest, das ist lange her. Kein übler Kerl. Ich hätte ihm nicht über den Weg getraut, aber das tue ich ja bei keinem, wenn ich nicht unbedingt muß.«
»Liegt wohl in der Familie.«
»Es tat mir leid, ihn töten zu müssen. Er ließ mir auch kaum eine andere Wahl. Das ist alles lange her, doch ich erinnerte mich deutlich an ihn, also muß er mich irgendwie beeindruckt haben.«
»Und Lorraine?«
»Das Land? Gute Arbeit, dachte ich. Gut gelungen, meinte ich. Ich bearbeitete den entsprechenden Schatten, der allein durch meine Gegenwart an Stärke gewann, wie es mit jedem Schatten geschieht, wenn einer von uns sich längere Zeit darin aufhält – wie bei dir in Avalon und später der andere Ort. Und ich erkannte, daß ich dort viel Zeit gewinnen konnte, indem ich dem dortigen Zeitstrom meinen Willen aufzwang.«
»Ich wußte nicht, daß so etwas möglich ist.«
»Beginnend mit der ersten Einführung in das Muster, wächst in einem die Kraft. Viele Dinge mußt du noch lernen. Ja, ich stärkte Lorraine und machte es besonders empfindsam gegenüber der wachsenden Macht der schwarzen Straße. Ich sorgte dafür, daß es auf deinem Weg liegen würde, wohin du auch gehen wolltest. Nach deiner Flucht führen alle Straßen nach Lorraine.«
»Warum?«
»Es war eine Falle, die ich dir gestellt hatte, vielleicht auch eine Art Prüfung für dich. Ich
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