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Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)

Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)

Titel: Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Augenblick? Dachte sie überhaupt noch an mich? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht war sie längst Erics Geliebte oder gar seine Königin. Hatte sie mich ihm gegenüber erwähnt? Wahrscheinlich nicht.
    Und meine Schwestern? Vergiß sie. Hexen, sie alle.
    Ich war schon einmal geblendet worden, von einem Kanonenblitz im achtzehnten Jahrhundert auf der Schatten-Erde. Der Zustand hatte aber nur etwa einen Monat gedauert, danach hatte ich wieder sehen können. Mit seinem Befehl hatte Eric allerdings eine dauerhaftere Regelung im Sinne gehabt. Noch immer hatte ich Schweißausbrüche und zitterte, erwachte zuweilen von meinem eigenen Geschrei, sobald mich die Erinnerung heimsuchte an die weißglühenden Eisen vor meinen Augen – und dann die Berührung, als sie mir die sonnenhellen Spitzen in die Augenhöhlen stießen.
    Ich stöhnte leise auf und setzte meinen Weg fort.
    Ich konnte überhaupt nichts unternehmen. Das war das Schlimmste an der ganzen Sache. Ich war so hilflos wie ein Embryo. Wiedergeboren zu werden in Licht und Zorn – dafür hätte ich meine Seele verschenkt. Und wenn es nur für eine Stunde gewesen wäre, mit der Klinge in der Hand, um mich noch einmal gegen meinen Bruder zu stellen.
    Ich legte mich auf die Matratze und schlief. Als ich wieder erwachte, standen Lebensmittel vor mir, und ich aß und schritt wieder auf und ab. Finger- und Zehennägel hatte ich wachsen lassen. Mein Bart war inzwischen sehr lang, und das Haar fiel mir ständig ins Gesicht. Ich fühlte mich unbeschreiblich schmutzig und mußte mich andauernd kratzen. Ich fragte mich, ob ich Flöhe hatte.
    Daß ein Prinz von Amber in diesen Zustand versetzt werden konnte, erweckte eine schreckliche Emotion im Kern meines Wesens, wo immer der liegen mag. Ich war in dem Glauben aufgezogen worden, wir seien unbesiegbar – sauber, nüchtern und diamanthart wie unsere Bilder auf den Trümpfen. Offensichtlich war dies nicht der Fall.
    Wenigstens waren wir soweit menschenähnlich, daß wir eine gewisse Findigkeit unser eigen nannten.
    Ich erdachte Spiele, erzählte mir Geschichten, ließ mir angenehme Erinnerungen durch den Kopf gehen – von denen ich viele besaß. Ich erinnerte mich an die Elemente, Wind, Regen, Schnee, die Wärme des Sommers und die kühlen Böen des Frühlings. Auf der Schatten-Erde hatte ich ein kleines Flugzeug besessen, und das Gefühl des Fliegens war herrlich gewesen. Ich dachte an die schimmernden Panoramen aus Farbe und Tiefe, die Miniaturisierung der Städte, die blaue Unendlichkeit des Himmels, die Herden von Wolken (wo waren sie jetzt?) und an die saubere Weite des Ozeans unter den Tragflächen. Ich erinnerte mich an Frauen, die ich geliebt hatte, an Parties und militärische Aktionen. Und wenn ich mit allem durch war und nicht mehr anders konnte, dachte ich an Amber.
    Und während ich einmal daran dachte, begannen meine Tränendrüsen wieder zu funktionieren. Ich weinte.
    Nach einer unendlichen Zeit, einer Zeit voller Dunkelheit und unbestimmbaren Schlafperioden, vernahm ich Schritte, die vor meiner Zellentür verhielten, und ich hörte, wie ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde.
    Reins Besuch lag so weit zurück, daß ich den Geschmack des Weins und der Zigaretten vergessen hatte. Ich vermochte die Zeitspanne nicht abzuschätzen – jedenfalls war eine lange Zeit vergangen.
    Zwei Männer befanden sich auf dem Korridor, das vermochte ich den Schritten zu entnehmen, ehe sie etwas sagten.
    Eine der Stimmen kannte ich.
    Die Tür ging auf, und Julian nannte meinen Namen.
    Ich antwortete nicht sofort, und er wiederholte seinen Ruf.
    »Corwin? Komm her!«
    Da ich kaum eine andere Wahl hatte, stemmte ich mich hoch und trat vor. Ich blieb stehen, als ich spürte, daß ich dicht vor ihm stand.
    »Was willst du?«
    »Komm mit!« Und er packte mich am Arm.
    Wir gingen durch den Korridor, und er sagte nichts, und ich hätte mir eher die Zunge abgebissen, als ihm eine Frage zu stellen.
    Die Echos verrieten mir den Augenblick, da wir den großen Saal betraten. Gleich darauf führte er mich die Treppe hinauf.
    Wir stiegen empor und erreichten den eigentlichen Palast.
    Ich wurde in ein Zimmer geführt und in einen Sessel gedrückt. Ein Friseur machte sich an meinem Haar und Bart zu schaffen. Ich erkannte seine Stimme nicht, als er mich fragte, ob er den Bart stutzen oder ganz abschneiden sollte.
    »Abschneiden«, sagte ich, während sich jemand daran machte, meine Finger- und Fußnägel zu maniküren.
    Dann wurde ich gebadet, und

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