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Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)

Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)

Titel: Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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meine Matratze und kratzte mit dem Löffel ein Viereck in die Tür, in dessen Mitte das Schloß liegen mußte. Ich arbeitete, bis mir die Hand schmerzte – ein paar Stunden lang. Dann fuhr ich mit dem Fingernagel über die Oberfläche. Ich hatte noch keine große Kerbe ins Holz gegraben, aber es war wenigstens ein Anfang. Ich nahm den Löffel in die linke Hand und machte weiter, bis auch sie schmerzte.
    Ich hoffte, daß Rein wieder einmal auftauchen würde. Ich glaubte, ihn mit dem nötigen Nachdruck überreden zu können, mir seinen Dolch anzuvertrauen. Da er sich aber nicht blicken ließ, schabte ich weiter.
    Tag um Tag arbeitete ich, bis ich etwa einen Zentimeter tief in das Holz eingedrungen war. Sobald ich die Schritte eines Wächters hörte, schob ich das Bettgestell wieder an die gegenüberliegende Mauer und legte mich mit dem Rücken zur Tür darauf. Wenn der Mann vorbei war, setzte ich meine Arbeit fort. Obwohl ich meine Hände zum Schutz in ein Tuch einwickelte, das ich mir von meiner Kleidung abgerissen hatte, holte ich mir zahlreiche Blasen, die aufplatzten, und das rohe Fleisch darunter begann zu bluten. Ich legte also eine Pause ein, um die Wunden heilen zu lassen. In dieser Zeit wollte ich planen, was nach dem Ausbruch zu tun war.
    Wenn ich tief genug in der Tür war, wollte ich den Riegelbalken anheben. Das Geräusch des fallenden Holzes würde vermutlich einen Wächter alarmieren. Aber bis dahin war ich längst draußen. Mit einigen festen Tritten konnte ich das Stück herausfallen lassen, an dem ich gerade arbeitete. Sobald die Tür aufschwang, sah ich mich dem Wächter gegenüber. Der Mann würde bewaffnet sein, ich nicht. Ich mußte es mit ihm aufnehmen.
    Vielleicht fühlte sich der Mann zu sicher – wahrscheinlich nahm er an, ich könnte nichts sehen. Andererseits mochte er Angst empfinden bei der Erinnerung daran, wie ich nach Amber gekommen war. Wie auch immer – er mußte sterben, und ich wollte seine Waffen an mich nehmen. Ich umspannte mit der linken Hand meinen rechten Bizeps und spürte, wie sich die Fingerspitzen berührten. Himmel! Ich war ja ausgemergelt! Egal, ich war vom Blute Ambers und spürte, daß ich einen gewöhnlichen Gegner sogar in dieser Situation überwältigen konnte. Vielleicht machte ich mir damit etwas vor, aber ich mußte es versuchen.
    Wenn ich durchkam, wenn ich dann eine Klinge in der Hand hielt, konnte mich nichts davon abhalten, zum Muster vorzudringen. Ich wollte es beschreiten und mich dann von der Mitte aus in einen Schatten meiner Wahl versetzen lassen. Dort wollte ich mich erholen, ohne die Dinge zu überstürzen. Und wenn es mich ein Jahrhundert kostete – ich wollte alles perfekt vorbereiten, ehe ich wieder gegen Amber vorging. War nicht ich der Herrscher hier? Hatte ich mich nicht vor den Augen aller gekrönt, ehe Eric dasselbe getan hatte? Ich würde meinen Anspruch auf den Thron schon durchsetzen!
    Nach etwa einem Monat waren meine Hände verheilt, und von der Schaberei bildeten sich gewaltige Schwielen. Ich hörte die Schritte eines Wächters und zog mich auf die andere Seite der Zelle zurück. Ein leises Quietschen ertönte, und mein Essen wurde unter der Tür hindurchgeschoben. Und wieder erklangen Schritte, verloren sich in der Ferne.
    Ich kehrte zur Tür zurück. Ich brauchte gar nicht erst hinzuschauen – ich wußte, was sich auf dem Tablett befand; ein trockenes Stück Brot, ein Krug mit Wasser, und wenn ich Glück hatte, auch ein Stück schimmeliger Käse. Ich zog die Matratze zurecht, kniete mich darauf und betastete die Rille. Ich war etwa halb durch.
    Dann hörte ich das leise Lachen.
    Es ertönte hinter mir.
    Ich wandte mich um und brauchte gar nicht erst meine Augen zu bemühen, um zu wissen, daß noch jemand in der Zelle war.
    Unmittelbar vor der linken Wand stand ein Mann und kicherte vor sich hin.
    »Wer seid Ihr?« fragte ich, und meine Stimme hörte sich seltsam an. Da wurde mir bewußt, daß ich seit langer Zeit nicht mehr gesprochen hatte.
    »Fliehen«, sagte er. »Er versucht zu fliehen.« Und wieder lachte er.
    »Wie seid Ihr hier hereingekommen?«
    »Zu Fuß«, entgegnete er.
    »Von wo? Wie?«
    Ich riß ein Streichholz an. Das Licht schmerzte meinen noch sehr empfindlichen Augen, doch ich hielt es in die Höhe.
    Ein kleiner Mann. Winzig, könnte man sagen. Etwa fünf Fuß groß und bucklig. Haar und Bart waren so lang und dicht wie bei mir. Das einzige hervorstechende Merkmal in der Pelzpracht waren die lange Hakennase und die

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