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Die Pubertistin - eine Herausforderung

Titel: Die Pubertistin - eine Herausforderung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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mal einer näher rantraut. Hält er das tapfer aus, laden sie ihn per SMS auf ihre Internetseite ein. Meldet er sich binnen zwei Tagen, stufen sie ihn auf Platz 278 ihrer 300 besten Freunde ein.
     
    Ich bezweifle, dass die klugen Fernsehreporter rechthaben. Das wäre so was von jämmerlich, wenn meine großartige Pubertistin derlei sinnlose Balzrituale vollzöge. Außerdem: Mit der Spange und ihrem süßen Restbabybauch entspricht sie doch eh nicht dem Beuteschema jener jungen Männer, denen ich in der S-Bahn immer mal wieder dabei zuhören darf, wiesie untereinander diese oder jene Schlampe bewerten. Während sie den Mitreisenden lauthals ihre Sicht auf die Frauenwelt darlegen, lugen unter ihren Achselhöhlen halb verhungerte, dafür aber stark blondierte und geschminkte Girls hervor, die den Ausführungen dieser Premiummänner stumm lauschen. Dann lieber Platz 278 auf der Internet-Liste.
     
    Während wir so mutmaßen, welchen Teil der Jugendbewegung unsere Tochter darstellt, geht die Haustür. Da steht sie, unsere angehende Großstädterin, Panik im Blick. Wir sehen sofort, was los ist. In einem Anfall größter Anpassungsbereitschaft hat sie sich Blondierungscreme gekauft und die Sache in einem hauptstädtischen Badezimmer umgehend in die Tat umgesetzt. Weißblond umrahmen die malträtierten Haare ihr kindliches Gesicht, sie sieht aus wie Marilyn Monroe, gefangen im Körper einer Fünfzehnjährigen. So wie sie guckt, scheint sie von uns eine Lösung ihres Problems zu erwarten. Aber was können wir schon machen? Wir tun das einzig Mögliche: Gut siehst du aus, lüge ich, wie sechzehn. – Eher wie siebzehn, legt der Vater nach. Sie guckt misstrauisch. Aber schönere Komplimente könnten wir der Einssechzigblondine wirklich nicht machen.

... aber das sind Eltern, die den Dialog mit Halbwüchsigen suchen, ja nicht anders gewöhnt. Seit wann sind wir berechtigt zu erfahren, was der Nachwuchs fühlt?
     
    Allen Ankündigungen zum Trotz, sich außerhalb seiner gewerkschaftlich verordneten Arbeitszeit leider nicht engagieren zu können, hat der sympathische Klassenlehrer der Pubertistin eine Klassenreise organisiert. Eine echte Überraschung. Mit den dreißig Nasen seiner Klasse ist er an die Ostsee gefahren. Vorher mussten wir ein Formular unterschreiben, in das wir nicht nur sämtliche körperlichen Privatissima unseres Kindes eintragen mussten, sondern auch, für nahezu alle Fährnisse außer vielleicht einem Atomschlag die Verantwortung zu übernehmen. Aber klar, aber sofort, als Eltern sind wir dem Diplompädagogen einfach nur dankbar, dass er sich bereit findet, mehrere Stunden, Tage gar mit seinen Schülern zu verleben.
     
    Wir bringen die Pubertistin zum Kleinstadtbahnhof, und weg ist sie. Fünf Tage sind der Vater und ich nun kinderlos. Ein herrliches Gefühl, das wir zuletzt während ihrer Italienreise kennen und schätzen gelernthaben. Ab Donnerstag beginnen wir, die Pubertistin leise zu vermissen. Am Freitag holen wir einen übermüdeten Sack schlechte Laune vom Bahnhof ab. Statt einer Umarmung gibt es den üblichen Anranzer der Pubertistin, jetzt doch einfach mal die Finger von ihr zu lassen, sie müsse schlafen, die Sache dulde keinen Aufschub. Das muss ja wirklich geil gewesen sein da an der Ostsee, denken der Vater und ich, grinsen uns zu, machen uns klein und essen abends die extra fürs Kind gekochten Königsberger Klopse allein auf.
     
    Nach sechzehn fest verschlafenen Stunden sehen wir uns am nächsten Morgen wieder. Naaaa, fragen wir, wie war die Klassenreise? War scheiße, sagt die Pubertistin und wischt sich einen Rest Zahncreme aus dem Mundwinkel. Aber warum denn, auf der Postkarte stand doch: Ist geil hier. – War’s aber nicht.



Nur durch hartnäckiges Nachfragen können wir in Erfahrung bringen, was so scheiße an der letzten Woche war. Also: Es wurden Spieleabende veranstaltet. Spiiiiiiiiiiiiieleabende!!! War sie ein Baby, oder was? Es durfte nicht geraucht werden. Gar nicht!!! Sie musste eine Strandwanderung mitmachen. Strand?Wandern? Hallo?! Und nach 22 Uhr musste jeder in seinem Zimmer bleiben. Der Klassenlehrer hatte brav im Flur der Jugendherberge Wache geschoben, offenbar schienen ihm unsere zuvor abgegebenen schriftlichen Zusicherungen, für alles die Verantwortung zu übernehmen, nicht weitreichend genug. Nix also mit lustigem Zimmerhopping für die Pubertistin. Alles pure Schikane, findet sie. Bei so viel Elend dürfen wir ihr sogar kurz tröstend übers Haar

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