Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
der Obduktion erkundigt. Der Rechtsmediziner hatte ihm bestätigt, dass der Tod durch Ersticken eingetreten sei, schätzungsweise gegen neunzehn Uhr am Vorabend. Das Material in den Nasenlöchern und der Mundhöhle der Toten sei tatsächlich PU-Schaum. Anzeichen eines Sexualdelikts lägen nicht vor. Ansonsten bat Semmler um etwas Geduld und versprach, ihm den vollständigen Bericht am nächsten Tag zuzusenden.
Bilder von Jana Michels zogen an seinem inneren Auge vorbei, er hörte Gesprächsfetzen von ihrer verunglückten letzten Begegnung, er sorgte sich um Emily, hoffte, dass der Urlaub mit Friederikes neuem Freund sie nicht überforderte, und schließlich versuchte er den merkwürdigen Gedankenimpuls einzuordnen, der seit dem frühen Morgen, seit der Besichtigung der Leiche, unablässig in seinem Hirn herumspukte.
Mit einem Mal richtete er sich auf, zog die Tastatur des Computers heran und begann, wie wild auf sie einzuhämmern. Kurz darauf erschien vor ihm auf dem Monitor eine Akte. Er klickte sich durch die Seiten, und schon hatte er Zeile für Zeile vor sich, was ihn die ganze Zeit über in seinem Unterbewusstsein beunruhigt hatte.
Trojan fuhr sich mit beiden Händen durch sein kurzes, an den Schläfen bereits angegrautes Haar.
In diesem Moment kam Landsberg zur Tür hinein.
»Wie sieht es aus, Nils? Wie weit seid ihr?«
Trojan blickte seinen Chef an. Seit dem letzten Frühjahr war er noch hagerer geworden. Damals hatte er ihm gestanden, dass seine Frau in einem besorgniserregenden seelischen Zustand sei, sie werde von Stimmen in ihrem Kopf verfolgt. Seitdem hatte sich Trojan nicht mehr getraut, nach ihr zu fragen. Sein Kommissariatsleiter bevorzugte eine persönliche Distanz bei der Arbeit, umso mehr hatte Trojan seine Ehrlichkeit überrascht.
So bleich, wie er aussah, hatte er wohl wieder einige schlaflose Nächte auf der Liege in seinem Büro verbracht. Trojan schaffte es selbst gelegentlich nachts nicht mehr nach Hause, wenn die Arbeit überhandnahm, ein Hauptgrund dafür, dass Emily nicht mehr bei ihm wohnte. Bei seinem Chef hingegen hatte er den Verdacht, dass er öfter mit der unbequemen Pritsche vorliebnahm, als es dienstlich unbedingt notwendig war. Vielleicht hielt er es daheim einfach nicht mehr aus.
Trojan räusperte sich. Dann fasste er kurz, aber möglichst umfassend den Stand der Ermittlungen zusammen.
»Das ist wenig«, knurrte Landsberg.
»Zugegeben, ja.«
»Gib mir Futter. Die Presse löchert mich schon.«
»Ich bin da gerade auf etwas gestoßen.«
Landsberg setzte sich auf die Tischkante und verschränkte die Arme vor der Brust. »Schieß los«, sagte er.
»Erinnerst du dich an den Fall Josephin Maurer?«
Er legte die Stirn in Falten. »Hilf mir mal auf die Sprünge.«
»Das war ziemlich genau vor einem Jahr. Eine junge Frau wurde auf offener Straße in einen Van gestoßen und verschleppt. Sie lag eine Nacht und einen Tag gefesselt und mit verbunden Augen im Keller eines Reihenhauses in Rudow, bevor sie vom Bruder des Täters befreit werden konnte.«
»Richtig, jetzt klingelt’s bei mir. Lukas Kilian hat damals die Ermittlungen geleitet.«
Sie schwiegen beide für einen Moment. Der Name des ehemaligen Kollegen wurde stets mit einer gewissen Scheu ausgesprochen.
Als habe der Chef in seinen Gedanken gelesen, sagte er: »Lukas hat immer gute Arbeit geleistet.«
»Ja, sein Alkoholproblem hat ihm niemand angemerkt.«
Landsberg stieß einen Seufzer aus. »Bis er seine Frau mit der Dienstwaffe bedroht hat.«
Für Trojan war das Thema heikel, immerhin hatte er seinen Posten übernommen, als Kilian vom Dienst suspendiert wurde. Seine Beförderung hatte er letztlich der Tatsache zu verdanken, dass der Kollege im Suff ausgerastet war.
»Bitte versteh mich nicht falsch, Hilmar, ich möchte seine Arbeit keinesfalls anzweifeln.«
»Schon gut, aber ich verstehe trotzdem nicht ganz, worauf du hinauswillst. Der Kerl, der die Frau gefangen hielt, ist tot.«
»Ich weiß, er starb nach einem Autounfall, während sie da unten in dem Keller schmorte.«
»Ja, und sie hat ihn eindeutig auf Bildern wiedererkannt.«
»Zumindest das, was sie auf der Straße von ihm sah. Im Keller hatte sie Klebeband auf den Augen.«
»Das war eine lupenreine Ermittlung, Nils. Selbst das Kennzeichen des Vans hat sie sich eingeprägt. Sie ist mit dem Schrecken davongekommen.«
Trojan nickte. »Sie hat einfach verdammtes Glück gehabt. Sie liegt da unten, ist beinahe am Verdursten. Nichts geschieht. Und dann
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