Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
aufzuheitern. Er war ein witziger Unterhalter. Wie oft hatte ich bei seinen Erzählungen Tränen gelacht
Auf dem Rückweg in meine Zelle überkam mich plötzlich ein starkes Gefühl der Zuversicht. Mark würde mir helfen. Warum nur hatte Jochen mir diesen Dr. Kluge geschickt und nicht Mark, mit dem ihn doch offensichtlich einiges verband?
Meinen letzten Gedanken hatte ich halblaut vor mich hingemurmelt.
„Dieser Jochen“, fragte Ännchen, „hat er was mit Deinem Mord zu tun?“
Sie platzte vor Neugier, und ich beschloss, es ihr zu erzählen. Es war ohnehin an der Zeit, die ganze Geschichte noch einmal Schritt für Schritt in Gedanken ablaufen zu lassen.. Vielleicht würde ich mich dabei an etwas Entscheidendes erinnern.
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„Besuch für Sie, Frau Krause“ rief die dralle Wärterin mit übertriebener Betonung auf dem Wort ‚Frau’.
„Vielen Dank“, sagte ich ebenso übertrieben liebenswürdig.
Ich rechnete mit Mark, aber es war Jochen. Meine Freude war übergroß, und ich wollte ihm um den Hals fallen.
„Keine körperlichen Kontakte!“ bestimmte der anwesende Wärter.
„Wie geht es Dir, warum kommst Du erst jetzt, warum hast Du mir diesen Kluge geschickt?“ Ich hätte noch 20 weitere Fragen gestellt, doch Jochen unterbrach mich.
„Wir haben wenig Zeit,“ sagte er kühl und nüchtern, „lass uns das Wichtigste besprechen. Bitte! Warum hast Du Kluge gegen Mark ausgetauscht? Es war gar nicht so einfach, Kluge für den Fall zu engagieren. Er will gewinnen; aussichtslose Fälle übernimmt er normalerweise nicht.“
Ich war fassungslos. Ich war also ein aussichtsloser Fall und Jochen schien verärgert.
„Bist Du denn eigentlich aus dem Schneider? Mark sagte, Du stündest auch unter Verdacht. Und Du hast mir schließlich die Pille gegeben.“
Er biss sich auf die Unterlippe.
„Wir wollen uns doch nicht gegenseitig Vorwürfe machen“, sagte er sanft und strahlte mich an.
„Natürlich haben sie mich verhört. Aber da ich frei herumlaufe, ist das ein gutes Zeichen für Dich.“
„Nur hat der Richter im Haftprüfungstermin meine weitere Inhaftierung angeordnet,.“ sagte ich sarkastisch.
„Nun, es spricht wirklich vieles gegen Dich,“ sagte er und blickte mich traurig an. „Was glaubst Du, was mich das alles mitgenommen hat? Der Tod von Marianne, die Beerdigung. Die vorangegangene Obduktion. Dann die vielen Verhöre. Ich weiß, dass Du es nicht getan hast. Die Kripo weiß das nicht. Sie glaubt, Du warst es. Was meinst Du zählt mehr, mein Wissen oder deren Glaube?“
Er hatte wieder einmal recht und ich war plötzlich sehr unsicher. Am liebsten hätte ich mich in seine Arme geworden und mich von ihm streicheln und trösten lassen. Aber der Wärter machte schon wieder eine Abwehrbewegung und ich ließ resigniert den Kopf sinken.
„Lass Kluge mit dem Staatsanwalt reden. Fünf Jahre sind im Endeffekt besser als fünfzehn.“ Er redete beschwörend auf mich ein.
„Mark hat akzeptiert, dass er diese fantastischen Verbindungen von Kluge nicht hat. Er nimmt es Dir nicht übel, wenn Du ihn entlässt.“
Sein liebevoller, besorgter Blick ruhte auf mir, und ich nickte weinend. Fünf Jahre ohne ihn! Ich war verzweifelt.
„Ich warte auf Dich,“ sagte die weiche, warme Stimme, die ich so liebte.
„Betrachte es als Prüfung.“
„Zeit ist um“, kam es schneidend aus der Ecke des Wärters.
„Komm bald wieder“; flehte ich, und er nahm trotz Wärter meine Hand in seine beiden Hände.
Ich sah mich noch einmal um, als ich durch die Tür geschoben wurde. Er stand mitten im Raum und warf mir eine Kusshand zu. Ich vertraute ihm, so wie ich es immer getan hatte. Wenn er glaubte, dass Kluge das Beste für mich herausschlagen würde, dann war es richtig.
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„Schnell“, rief Ännchen. „Sonntags gibt´s immer Kuchen, und der Kaffee ist noch heiß“ Sonntag! Ich wusste nicht einmal mehr, welcher Wochentag gerade war. Der Kaffee war plürrig, aber der Streuselkuchen war frisch. Jochen war da gewesen, es war Sonntag, und ich empfand unsere Zweisamkeit in der Zelle plötzlich als ausgesprochen gemütlich. Ännchen bemutterte mich. Sie nahm an meinem Schicksal Anteil, und obwohl sie eine einfache Frau und noch dazu eine Giftmörderin war und ich eine Hotelmanagerin, die den Umgang mit den sogenannten „feinen Leuten“ gewohnt war, begann ich, ihr in dieser schlecht gelüfteten Zell e meine Geschichte zu
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