1186 - Der Henker vom Hamburg Dungeon
Craig Farell mochte das Gedränge nicht. Es waren nicht mal zu viele Menschen, aber in diesem engen Gang mit den grauen Wänden - gut nachgebildete Steinmauern - wirkte alles doppelt und dreifach so eng.
Jeder wollte der Erste sein, der das große Feuer erlebte. Männer, Frauen, Jugendliche. Sie alle waren bereit, sich dem Grauen der Geschichte zu stellen.
Die Hölle hatte mitten in der Großstadt einen neuen Fixpunkt bekommen. Hamburg Dungeon. Ein Magnet, der zahlreiche Besucher anzog. Man brauchte jetzt nicht mehr nach London zu reisen, um Geschichte plastisch präsentiert zu bekommen. Das war auch in der Hamburger Speicherstadt möglich.
Pate hatte das London Dungeon gestanden, aber dieses neue hier in Hamburg war schon moderner.
Da hatte auch die neue Technik mitgeholfen.
Craig Farell stammte aus London. Er wohnte auch dort. Beruflich hatte er in Hamburg zu tun gehabt. Der Job war schneller erledigt gewesen, als er gedacht hatte. Einige Stunden Freizeit wollten ausgefüllt werden. Auf den Kiez war er nicht gegangen, ihn hatte es eben in das Etablissement des Schreckens gezogen, zusammen mit vielen anderen Gästen.
Die Reise mit dem Fahrstuhl in die Tiefe lag bereits hinter ihm. Jetzt führte der Weg die Menschen hin zur ersten Attraktion. Auch der ungewöhnliche Fahrstuhlführer war verschwunden. Er hatte sowieso mehr ausgesehen wie ein Totengräber.
Die Besucher um ihn herum verhielten sich nicht still. Man redete halblaut oder flüsternd. Hier und da war ein kurzes Lachen zu hören, auch mal ein Kichern, und Farell spürte die Spannung, von der die Leute erfasst worden waren, obwohl sie lachten oder mit lockeren Sprüchen um sich warfen.
Im Hintergrund war auch die leise, aber durchaus bedrohlich klingende Musik zu hören. Erste Schreie oder Hilferufe klangen ebenfalls durch. Ein Zeichen, dass die erste Attraktion näher rückte.
Es war das Feuer!
Nicht nur einfach ein Brand, wie er in zahlreichen Städten vorkam, nein, hier konnte der Gast das große Feuer von Hamburg erleben, das im dreizehnten Jahrhundert wahnsinnigen Schaden angerichtet hatte. Zahlreiche Menschen waren Opfer der Flammen geworden, eine unbeschreibliche Angst hatte die Stadt im Griff gehalten, und diese Hölle sollte den Gästen dargebracht werden.
Sie näherten sich…
Die Musik wurde zurückgedreht. Schon waren die ersten Schreie zu hören. Verzweifelte Frauen riefen nach ihren Männern und Kindern. Eine Tür öffnete sich vor den Besuchern und damit auch das alte Hamburg und der blasse Rauch, der durch die engen Gassen und an den Fassaden der Häuser entlangtrieb.
Die Besucher waren ruhiger geworden. Jeder bekam etwas von dieser beklemmenden Atmosphäre mit. Die Sicht war schlechter geworden. Licht gaben nur die vereinzelt flackernden Feuer, die zwischen den Häusern oder auch darin zu sehen waren.
Tanzende Flammen, Schatten aus Hell und Dunkel und eine Luft, die so seltsam roch.
Neben Farell hüstelte eine Frau. Sie hielt ihren Sohn fest an der Hand und schüttelte den Kopf, als der Junge fragte: »Ist das alles echt?«
»Nein!«
»Aber das sieht so aus.«
»Gut gemacht.«
Craig musste lächeln. Die Frau hatte Recht. Es war gut nachgemacht worden.
Schreie gellten ihnen an die Ohren. Die Umrisse von Menschen malten sich hinter den Fenstern ab wie tanzende Schatten. Rufe gingen über in Todesschreie.
Bauten krachten zusammen. Funken stoben himmelan, und der Tod schaffte es, überall seine grausame Fratze zu zeigen.
Manche Besucher zogen die Köpfe ein, wenn es in ihrer Nähe krachte und krachte. Am 8. September war das Feuer in Hamburg ausgebrochen, aber Hunderte von Jahren später war es noch immer so präsent wie damals. Eine perfekte Nachbildung, die den Gästen unter die Haut ging. Angst war zu spüren, und der Rauch nahm immer mehr zu.
Dann der Schrei einer Frau!
So laut, dass jeder, der ihn hörte, zusammenzuckte. Irgendwo in der Nähe war eine Tür aufgestoßen worden. Gelblicher Brodem quoll hervor und mit ihm wurde die Gestalt einer Frau nach draußen gestoßen. Sie war voller Panik. Ihr Gesicht war nicht nur vom Rauch geschwärzt, sondern auch verzerrt. Man hatte sie perfekt geschminkt, und sie lief in perfekt dargestellter Panik durch die Reihen der Besucher.
»Mein Kind!«, schrie sie. »Wo ist mein Kind? Bitte, sagt mir, wo mein Kind ist. O mein Gott…«
Sie war völlig kopflos geworden. Rannte in ihrer Panik hin und her. Sie griff zu, packte Leute, zerrte an ihnen und flehte sie um Hilfe an.
»Helft
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