Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Angreifern Schutz gesucht hatte.
Die Medica kümmerte sich sofort darum, und Graf Claus, der alte Kämpe, biss die Zähne zusammen und gab keinen Ton von sich, als sie das Geschoss mit einem spitzen Messer herausschnitt, seine Wunde mit Aqua vitae auswusch und anschließend nähte.
Der Schaden auf Burg Greifenklau hielt sich Gott sei Dank in Grenzen, der Palisadenwehrgang war schnell wieder instand gesetzt, die Plackerer begraben, der Vogt informiert, als Graf Claus, einigermaßen genesen, eines schönen Abends am wärmenden Kaminfeuer, an dem es sich auch Bruder Thomas mit einem vollen Krug Bier gemütlich gemacht hatte, endlich zur Sache kam und ein Thema ansprach, das ihm schon lange auf der Seele lag. Das Thema, das auch der König schon angesprochen hatte. Er wollte wissen, wann denn nun die Hochzeit von Anna und Chassim stattfinden sollte.
»Verzeiht einem alten Mann, aber ich würde das doch noch gerne erleben«, meinte er schmunzelnd. »Liebt ihr euch denn noch immer so wie am ersten Tag?«
Statt einer Antwort fassten sie sich an der Hand. Da das der Graf aber nicht sehen konnte, übernahm es Chassim, ihm zu antworten. »Ja, Vater. Das tun wir.«
Graf Claus brachte seine gesunde Hand hinter seine Ohrmuschel, als habe er nicht richtig verstanden. »Ich bin zwar blind, aber noch nicht ganz taub. Kann es sein, dass ich Anna gar nicht gehört habe?«
Anna lächelte, der alte Graf und seine Marotten änderten sich wohl nicht mehr. Nichts bereitete ihm mehr Vergnügen, als andere auf den Arm zu nehmen. Also sprach sie zu ihm: »Ja, Euer Gnaden, wir lieben uns.«
»Gut, sehr gut. Das ›Euer Gnaden‹ kannst du übrigens in Zukunft weglassen, jetzt, wo du zur Familie gehörst.« Er wollte sich erfreut die Hände reiben, wurde aber durch einen Stich in seiner Schulter schmerzlich daran erinnert, dass er erst kürzlich eine Schusswunde davongetragen hatte. »Liebe Anna, lieber Sohn, es ist nun so, dass mir zu Ohren gekommen ist, dass es höchst unschicklich sei, dass ihr beide unter meinem Dach wohnt wie Mann und Frau, obwohl ihr euch vor der Welt und vor Gott noch nicht vermählt habt. Das ist ein unchristlicher Zustand, der meinen bisher so tadellosen Ruf zu untergraben droht.« Er sah auffordernd zu Bruder Thomas hinüber in der Annahme, dass dieser, wie vorher ausgemacht, ihm gewichtig und mit dem nötigen Ernst beipflichten würde, was er auch tat. »Ja, Euer Gnaden. Das pfeifen schon die Spatzen von den Dächern.«
Graf Claus nickte, als ob dies wirklich eine sehr heikle Angelegenheit sei, und wandte sich dann wieder dem jungen Paar zu. »Was gedenkt ihr dagegen zu unternehmen?«
Anna wusste genau, dass es dem alten Grafen vollkommen gleichgültig war, was andere über ihn dachten. Er wollte einfach nur wissen, wann sie und Chassim heiraten würden. Und Bruder Thomas würde sich nie in ihre Privatangelegenheiten mischen, es sei denn, er machte sich wirklich Sorgen um sie. Aber bevor sie antworten konnte, sprach der Graf schon weiter, er verfolgte irgendeinen Plan. Anna war gespannt, worauf er hinauswollte. »Nein, sagt jetzt nichts. Es ist an der Zeit, mein Sohn, dass du morgen mit Anna und Bruder Thomas einen kleinen Ausflug machst. Ihr beiden wisst schon, wohin und was ich meine.«
Chassim nickte und Bruder Thomas ebenfalls. »Ja, Euer Gnaden. Wir wissen Bescheid.«
Anna wurde misstrauisch. »Warum habe ich das Gefühl, dass hier eine Verschwörung gegen mich im Gange ist?«
Der alte Graf tätschelte ihr mit dem gesunden Arm beruhigend die Wange. »Du wirst schon noch sehen, meine Liebe, worum es geht. Du wirst schon sehen.«
So sehr Anna in der Nacht, die sie, seit sie wieder auf Burg Greifenklau waren, immer bei Chassim verbrachte, ihren Liebsten anbettelte, ihm zu verraten, was die drei vorhatten, kam kein Wort über seine Lippen. Aber in seinen Armen vergaß sie die Welt und die Fragen, die sie hatte. Sie würde sich eben überraschen lassen.
Am nächsten Morgen wartete Bruder Thomas schon auf dem Kutschbock des Wagens auf Anna und Chassim, die Ladung des Wagens war mit einer Plane bedeckt. Anna wollte einen Blick darunter werfen, aber Chassim hinderte sie daran. »Das gehört zur Überraschung«, meinte er nur, und dann fuhren sie los.
Als der Wagen das Stadttor von Wetzlar durchquerte, das etwa einen Tagesritt von Burg Greifenklau entfernt war, war Anna nur noch neugieriger geworden. Die beiden Männer neben ihr hatten entgegen ihrer sonstigen Art fast die ganze Fahrt über geschwiegen und
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