Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
sich immer nur wieder bedeutsame und verschwörerische Blicke zugeworfen. Normalerweise hätte Anna sich darüber nach geraumer Zeit aufgeregt, wenn sie sich nicht sicher gewesen wäre, dass die beiden sie nur necken wollten. Zielsicher lenkte Chassim den von zwei Pferden gezogenen Karren durch die engen Gassen der Stadt, bis sie vor einem dreistöckigen Fachwerkhaus mit überkragendem Obergeschoss und Spitzgiebel hielten, das etwas abseits stand und einen Hof mit einer hohen Ummauerung hatte. Bruder Thomas sprang vom Bock und machte die Torflügel zum Innenhof auf, so dass sie einfahren konnten.
Als die Torflügel wieder geschlossen waren und sie alle im Innenhof standen, sah Chassim sie an. »Na, was sagst du dazu?«
»Wozu?«, fragte Anna.
»Zu diesem Haus. Es gehört dir. Es ist das Hochzeitsgeschenk des Königs.«
Jetzt war Anna wirklich sprachlos.
»Nur um deine Frage vorab zu beantworten: Natürlich nur, wenn du mich heiratest.«
Bruder Thomas kümmerte sich inzwischen diskret um die beiden Pferde, er wusste, das Folgende ging nur Anna und Chassim etwas an.
»Warum zweifelst du daran?«, fragte Anna.
»Weil ich dich inzwischen recht gut kenne, liebe Anna«, sagte Chassim. »Ich hatte viel Zeit, um nachzudenken. Und mein Vater hat mir ebenfalls ins Gewissen geredet, er und Bruder Thomas.«
Anna wollte etwas sagen, aber Chassim verschloss ihr mit seinem Finger die Lippen und bedeutete ihr, zu schweigen. »Die Anna, die ich kennenlernte, die möchte ich heiraten. Die Anna, deren Bestimmung es ist, andere Menschen zu heilen. Ich wollte dir sagen, dass ich dich nicht ändern möchte und von dir etwas verlange, was du nicht willst oder nicht sein kannst.«
»Du meinst, die Gräfin Anna?«
»Ja, genau, die meine ich. Ich liebe die Medica. Und wenn du weiterhin mit Bruder Thomas als Medica tätig sein willst – hier kannst du es. Bruder Thomas hat das Haus schon eingerichtet. Auf dem Wagen sind nur die restlichen Heilmittel und Instrumente, die ihr braucht, um ein Hospiz einzurichten und zu führen.«
Bruder Thomas war wieder näher getreten und sah stolz auf das prächtige Haus. Anna wandte sich zu ihm. »Ist das alles wahr, Thomas?«
»Jedes Wort«, antwortete Bruder Thomas.
Anna fiel Chassim um den Hals. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll …«
»Damit ist schon alles gesagt. Ich will doch mit einer glücklichen Frau verheiratet sein. Und das kannst du nur sein, wenn du deiner Bestimmung folgst, das habe ich immer von dir gehört. Es hat nur ein bisschen gedauert, bis ich es auch begriffen habe. Bei der Verwirklichung deiner Pläne wirst du stets meine volle Unterstützung finden, das verspreche ich dir.«
Bruder Thomas schaute weg, als die beiden sich küssten. Aber er freute sich königlich.
Dann hielt es Anna nicht länger aus. Aufgeregt wie ein kleines Mädchen zog sie Chassim und Bruder Thomas zum Eingang. »Los, kommt schon, zeigt mir das Haus!«
Vor der Tür bekam auch noch Bruder Thomas einen dicken Kuss auf die Wange ab, was ihn ganz verlegen machte, so dass er lange mit einem großen Schlüssel im Schloss herumfummeln musste, bis er es endlich aufbekam und sie hineingehen konnten.
Anna wollte ihr Glück am liebsten mit der ganzen Welt teilen, bevor sie die Tür hinter sich schloss.
Aber morgen war ja auch noch ein Tag.
Epilog
EINLADUNG
An Seine Majestät, König des Heiligen Römischen Reiches, Herzog von Schwaben und König von Jerusalem, Konrad IV . von Hohenstaufen
Verehrte, allergnädigste Majestät!
Es ist uns eine hohe Ehre, Euch einzuladen nach Burg Greifenklau am fünfzigsten Tag nach Ostern, zum heiligen Pfingstfest. An diesem Tage werden die liebreizende Braut Anna von Hochstaden und der ehrenwerte Bräutigam Chassim von Greifenklau vor Gott und seinem Stellvertreter auf Erden, Bruder Thomas, Hochzeit halten, und nichts wäre uns von ganzem Herzen willkommener und würde uns mit mehr Freude und Dankbarkeit erfüllen, als dass Ihr unser aller Ehrengast seid!
In unverbrüchlicher Treue, höchster Zuneigung und alter Verbundenheit, auch und insbesondere von Ambros, Eurem Bruder im Geiste, und in der Hoffnung aller, Euch wohl und bei bester Gesundheit wiederzusehen und in die Arme schließen zu können,
Anna von Hochstaden, genannt die Medica
Chassim von Greifenklau
Postscriptum: Bestimmt freut es Euch zu hören, dass E. v. B. uns ebenfalls mit ihrer Gegenwart beehren wird.
GLOSSAR
Ablass
von der Kirche geregelter Gnadenakt, bei dem zeitliche Sündenstrafen
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