Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
Höchstwahrscheinlich werden wir eine ruhige Reise verleben, so ruhig wie der zweiwöchige Aufenthalt in Brixen, bei dem nichts Nennenswertes passierte, keine drollige Episode für die abendliche Gutenachtgeschichte, kein gruseliges Abenteuer für die Enkel, und genau deshalb hattensie sich auch alle so selten glücklich gefühlt, heil angekommen in der Herberge Am hohen Feld, die Familien in weiter Ferne, die Sorgen auf später verschoben, und selbst die Gläubiger verbargen ihre Ungeduld, kein kompromittierender Brief fiel in falsche Hände, die Zukunft gehörte also, wie die Alten meinten und glaubten, einzig und allein Gott, lasst uns den heutigen Tag leben, denn was morgen kommt, weiß keiner. Die Routenänderung geht nicht auf eine Laune des Erzherzogs zurück, obwohl bei dieser Strecke nun zwei Höflichkeitsbesuche eingeschoben werden, die gleichzeitig auch der hohen mitteleuropäischen Politik dienen, der erste in Wasserburg, beim Herzog von Bayern, der zweite, längere, in Mühldorf, beim Herzog Ernst von Bayern, dem Verwalter des Erzbistums Salzburg. Um noch einmal auf die Wege zurückzukommen, natürlich ist die Straße von Innsbruck nach Wien relativ komfortabel und ohne solch heftige orographische Erhebungen wie die Alpen, und wenn sie auch nicht schnurgerade verläuft, so weiß sie doch ziemlich genau, wo sie hinwill. Die Flüsse haben jedoch den Vorteil, dass sie wie rollende Straßen sind, sie kommen quasi von allein voran, insbesondere dieser hier, mit seinen mächtigen Wassermassen. Am meisten wird Soliman von dieser Routenänderung profitieren, braucht er doch zum Trinken nur seinen Rüssel über Bord zu halten und zu saugen. Keineswegs begeistert wäre er indes gewesen, hätte er erfahren, dass ein aus jener am Fluss, kurz vor Innsbruck gelegenen Stadt Hall stammender Chronist, ein kleiner Schreiberling namens Franz Schweyger, einmal schriftlich festhalten würde, Maximilian kehrte in vollem Glanz aus Spanien zurück und hatte einen zwölf Fuß hohen, mausgrauen Elefanten dabei. Wie wir Soliman kennen, hätte er dies sicherlich prompt undunverblümt richtiggestellt, Nicht der Elefant hat die Farbe der Maus, sondern die Maus die Farbe des Elefanten. Und bestimmt hätte er noch hinzugefügt, Etwas mehr Respekt bitte.
Sich im Takt von Solimans rhythmischem Schritt wiegend, wischt Fritz den Schnee ab, der sich auf seine Augenbrauen gelegt hat, und denkt darüber nach, welche Zukunft ihn wohl in Wien erwartet, Mahut ist er, Mahut wird er bleiben, und etwas anderes könnte er auch niemals sein, doch die Erinnerung an die Zeit in Lissabon, als er zunächst zur Belustigung des Volkes gedient hatte, einschließlich der adligen Höflinge, die ja streng genommen auch zum Volk zählen, und dann von aller Welt vergessen wurde, lässt ihn sich fragen, ob man ihn und den Elefanten in Wien auch in ein Bretterzaungehege stecken und verfaulen lassen wird. Irgendetwas wird mit uns passieren, Salomon, sagte er, diese Reise war nur ein Zwischenspiel, und jetzt bedank dich bitte dafür, dass der Mahut Subhro dir deinen wahren Namen zurückgegeben hat, du wirst das Leben haben, für das du geboren wurdest und dem du nicht entkommen kannst, sei es nun gut oder schlecht, aber ich wurde nicht dazu geboren, Mahut zu sein, in Wahrheit ist kein Mensch dazu geboren, Mahut zu sein, selbst wenn sich sein Leben lang keine andere Tür für ihn auftut, im Grunde bin ich eine Art Parasit, eine in deinen Rückenborsten verlorene Laus, ich schätze, ich werde weniger lange leben als du, die Leben der Menschen sind kürzer als die der Elefanten, das ist bekannt, ich frage mich, was aus dir wird, wenn ich nicht mehr bin, sie werden einen anderen Mahut bestellen, klar, irgendjemand wird sich um Soliman kümmern, vielleicht bietet sich ja die Erzherzogin an, das wäre witzig, eine Erzherzogin, die einem Elefanten dient, oder einer der Prinzen, wenn sie groß sind, in irgendeiner Weise wird deine Zukunft stets gesichert sein, mein lieber Freund, aber die meine nicht, ich bin Mahut, ein Parasit, ein Wurmfortsatz.
Müde von dem langen Marsch kamen wir an einem besonderen Tag des katholischen Kalenders, nämlich dem Dreikönigsfest des Jahres fünfzehnhundertzweiundfünfzig, in Innsbruck an. Das Fest war prächtig, wie nicht anders zu erwarten von dieser ersten, den Erzherzog empfangenden Großstadt. Man weiß zwar nicht genau, ob der Beifall ihm oder dem Elefanten gilt, doch das kümmert den zukünftigen Kaiser wenig, für den Soliman in
Weitere Kostenlose Bücher