Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
aldeias, also Dörfer, mehr sind, erfahren wir, dass der passendere Ausdruck holidays village oder village de vacances oder Feriendorf ist. Und das führt irgendwann dazu, dass es keine loja de modas mehr gibt, denn die ist heute über eine Art sprachlichen Adoptionsprozess zur Boutique und selbstverständlich auch zum fashion shop und, weniger selbstverständlich, zu modes oder zum schlichten Modegeschäft geworden. Eine sapataria trägt das Schild shoes zur Schau, und das war’s. Und sollte der Reisende so, wie man sonst nach Läusen sucht, nach portugiesischen Namen von Bars und Kneipen suchen, hätte er, wenn er in Sines angelangt ist, höchstens eine Handvoll gefunden. So sehr missachtet wird also die portugiesische Sprache in diesen lusitanischen Breiten, dass man in der heutigen Zeit, in der die Zivilisierten wieder in Barbarei verfallen, getrost sagen kann, die Algarve sei das Land des verstummenden Portugiesisch. Ähnlich ergeht es Bressanone, das Brixen genannt wird.
T olstoi hat einmal gesagt, glückliche Familien hätten keine Geschichte. Auch glückliche Elefanten scheinen keine zu haben. Man sehe sich nur Solimans Fall an. Während der beiden Wochen in Brixen tat er nichts anderes, als ausgiebigst zu schlafen, zu fressen und zu trinken, sodass er auf rund vier Tonnen Futter und ungefähr dreitausend Liter Wasser kam, womit er schließlich die zahlreichen Zwangsdiäten wieder wettmachte, die man ihm auf der langen Reise durch portugiesische, spanische und italienische Ländereien auferlegt hatte, während der seine Speisekammer nicht regelmäßig gefüllt werden konnte. Nun war Soliman wieder bei Kräften, war dick und schön, und seine schlaffe, runzelige Haut warf bereits nach einer Woche nicht mehr die Falten eines schlecht aufgehängten Mantels. Die gute Nachricht kam auch dem Erzherzog zu Ohren, der alsbald höchstpersönlich das Elefantenhaus, also Solimans Stall, besuchte, statt ihn auf den Platz führen zu lassen, um dort der erzherzoglichen Autorität und dem versammelten Volk seine hervorragende Figur und den nunmehr so großartigen Look zu präsentieren. Natürlich war Fritz ebenfalls zugegen, doch da ihm bewusst war, dass der Frieden mit dem Erzherzog noch nicht formal besiegelt war, sofern dies denn je geschehen würde, verhielt er sich diskret, umsichtig und unauffällig, hoffte indes insgeheim, dass der Erzherzog zumindest ein Wort der Anerkennung, ein knappes Lob für ihn übrighätte. So kam es. Am Ende des Besuchs warf dieser ihm einen kurzen Blick zu und sagte, Du hast gute Arbeit geleistet, Fritz, Soliman kann zufrieden sein, worauf der Mahut antwortete, Nach etwas anderem strebe ich nicht, mein Gebieter, ich stelle mein Leben in den Dienst Eurer Königlichen Majestät. Der Erzherzog antwortete nicht, stieß lediglich ein lakonisches Hmm, hmm aus, einen primitiven, wenn nicht gar ursprünglichen Ton, den jeder deuten kann, wie er will. Für Fritz, der aufgrund seines Temperaments und seiner Lebensphilosophie stets zu einer optimistischen Sicht der Dinge neigte, war dieser brummige Laut, obgleich so trocken und für einen erzherzoglichen und bald schon kaiserlichen Mund sprachlich unangemessen, ein Schritt, ein kleiner, aber sicherer Schritt in Richtung der ersehnten Aussöhnung. Wir wollen bis Wien warten und sehen, was passiert.
Von Brixen bis zum Brennerpass ist es nicht weit, die Kolonne wird also keine Zeit haben, sich aufzulösen. Weder Zeit noch Raum. Und das bedeutet, wir werden erneut vor diesem moralischen Dilemma stehen wie zuvor bei der Eisackschlucht, nämlich ob wir ihn geschlossen oder einzeln passieren. Allein der Gedanke, die Kolonne könnte in ihrer Ganzheit, von den Kürassieren der Vorhut bis zu denen der Nachhut, zwischen den Wänden des Passes eingekeilt und von Schneelawinen oder Steinschlägen bedroht werden, war erschreckend. Am besten legt man das Problem in Gottes Hände, möge er doch entscheiden. Schreiten wir also voran, alles Weitere wird sich fügen. Dennoch sollte diese Sorge, so verständlich sie auch sein mag, uns nicht die andere vergessen machen. Die Einheimischen sagen, der Brennerpass sei zehnmal so gefährlich wie die Eisackschlucht, andere meinen, sogar zwanzigmal, und er fordere jedes Jahr einige Opfer, begraben unter Lawinen oder erschlagen von herabfallenden Felsbrocken, auch wenn ihnen im Moment ihres Falls dieses verhängnisvolle Schicksal noch gar nicht anhaftet. Hoffentlich kommt bald die Zeit, in der die tiefen Schluchten, in denen
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