Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
unseren waren, mit Worten, die bereits millionenfach niedergeschrieben und ausgesprochen wurden, bis es an uns war, sie zu verwenden, mit Worten, die müde und erschöpft sind, weil sie so viel herumgereicht wurden und überall ihre lebenswichtige Substanz hinterließen. Schreiben wir beispielsweise die Worte kristallklarer Bach nieder, so legen wir unseren ganzen Eifer in die Beschreibung der Landschaft und denken gar nicht darüber nach, ob der Bach noch immer kristallklar ist wie damals, als wir ihn zum ersten Mal sahen, oder ob er gar kein Bach mehr ist, sondern sich in einen reißenden Fluss oder, oh unglückselige Bestimmung, in den schmutzigsten, stinkendsten Sumpf verwandelt hat. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehen mag, hat dies doch viel mit jener gewagten obigen Behauptung zu tun, dass es schlichtweg unmöglich ist, eine Landschaft und, in erweiterter Form, auch alles andere zu beschreiben. Aus dem Munde eines berufenen Mannes, der die jeweiligen Orte allem Anschein nach so kennt, wie sie sich uns in den verschiedenen Jahreszeiten darbieten, geben diese Worte zu denken. Und wenn dieser Mensch mit seiner Ehrlichkeit und seinem durch Erfahrung erworbenen Wissen behauptet, man könne das, was die Augen sehen, nicht beschreiben, und das heißt, in Worte übersetzt, Schnee oder eine blühende Wiese, wieso sollte dann jemand so etwas wagen, der niemals in seinem Leben den Brennerpass überschritten hat und schon gar nicht in diesem sechzehnten Jahrhundert, als es noch keine Autobahnen und Tankstellen, keine Kroketten, keinen Kaffee und auch kein Motel gab, in dem man, wenn draußen der Sturm heulte und ein verlorener Elefant sein verängstigtes Trompeten ausstieß, im Warmen nächtigen konnte. Wir waren nicht dabei, wissen es nur aus Überlieferungen, und wie verlässlich die sind, vermag keiner zu sagen, ein alter Stich zum Beispiel, nur seines hohen Alters und der naiven Zeichnung wegen beachtet, zeigt einen Elefanten aus Hannibals Heer, der in eine Schlucht hinabstürzt, und dabei ging doch in Wirklichkeit kein Elefant des karthagischen Heeres, das zumindest behaupten die Fachleute, bei dieser mühsamen Alpenüberquerung verloren. Hier ging auch keiner verloren. Die Kolonne zeigt sich weiterhin fest und kompakt, Eigenschaften, die, wenngleich, wie bereits dargelegt, im Grunde egoistischen Ursprungs, nicht weniger lobenswert sind. Doch es gibt auch Ausnahmen. Die größte Sorge der Kürassiere betrifft beispielsweise nicht die eigene Sicherheit, sondern die ihrer Pferde, die sich gerade gezwungen sehen, auf dem rutschigen Untergrund aus hartem, bläulich grauem Eis voranzukommen, wo ein Hufbruch fatale Folgen hätte. Bisher hat das von Soliman in Padua an der Pforte der Basilika des heiligen Antonius verübte Wunder, so schwer es vielleicht auch auf dem noch immer von Erzherzog Maximilian dem Zweiten von Österreich verteidigten Lutheranismus lastet, die Kolonne geschützt, und zwar nicht nur die mitreisendenMächtigen, sondern auch die kleinen Leute, was wiederum einen Beweis, sollte dieser noch vonnöten sein, für die seltenen und außergewöhnlichen wundertätigen Eigenschaften des heiligen Fernando de Bulhões darstellt, um den sich zwei Städte, nämlich Lissabon und Padua, seit Jahrhunderten streiten, zwar wohl eher pro forma, schließlich weiß alle Welt, dass Padua bereits die Siegesfahne gehisst hat, während Lissabon sich mit volkstümlichen Stadtteilumzügen, Rotwein und gegrillten Sardinen sowie Luftballons und Basilikumtöpfchen begnügen muss. Es reicht also nicht, zu wissen, wie und wo Fernando de Bulhões geboren wurde, gilt es doch abzuwarten, wie und wo der heilige Antonius sterben wird.
Es schneit noch immer und, man entschuldige den vulgären Ausdruck, es ist saukalt. Den Boden betritt man wegen des verdammten Eises am besten nur mit allergrößter Vorsicht, doch obwohl die Berge noch nicht bezwungen sind, scheinen die Lungen auf einmal besser atmen zu können, viel zwangloser, ohne diesen merkwürdigen Druck, den die unerreichbaren Höhen auslösen. Die nächste Stadt ist Innsbruck, am Ufer des Flusses Inn gelegen, und sollte der Erzherzog den Gedanken, den er dem Intendanten noch in Brixen mitteilte, nicht aufgegeben haben, werden wir einen Großteil der Strecke bis Wien auf dem Schiff zurücklegen, eine Flussschifffahrt sozusagen, und zwar mit der Strömung, zunächst bis Passau auf dem Inn und dann auf der Donau, beides mächtige Ströme, vor allem die Donau.
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