Die Reisen des Mungo Carteret
orangefarbenem Holz. Der Schwebebus folgte der Straße für Karren und andere Fahrzeuge; sie führte um den kleinen Park in der Mitte des Platzes. Don sagte, die hohen Bäume mit schuppigen Stämmen und grünen Früchten seien Pistazedern, die kleineren mit ockerfarbenen Blättern Figolinen.
Der Bus hielt kurz an, um drei Frauen und zwei Männer einsteigen zu lassen, und ein weiteres Mal am Nord rand der Stadt, wo zwei Frauen zustiegen. Alle Passagie re trugen schlichte, robuste Kleidung und einfache Reisetaschen, Rucksäcke oder Bündel. Die neu Zugestiegenen gingen weiter nach hinten; als sie an Carteret und den drei anderen vorbeikamen, streiften sie sie mit eher gleichgültigen Blicken.
»Sehen alle einfach aus«, sagte Alf leise. »Aber das täuscht. Arbeiter oder Bauern können sich die Fahrt kaum leisten.«
»Wofür halten Sie die denn?«
Alf hob die Schultern. »Aufseher, Vorarbeiter, Buchhalter – oder, nach unseren Begriffen, mittleres Management.«
»Und die Reichen?«
»Haben eigene Gleiter.«
Außerhalb der Stadt beschleunigte der Bus; er schweb te nun ein wenig höher, etwa einen Meter über der Straße. Carteret schätzte das Tempo auf etwa hundertdreißig km/h. Auf beiden Seiten erstreckten sich – nach Osten bis zum Horizont, nach Westen bis zu den Küstenhügeln – Gemüsefelder und Obstplantagen, hier und da durchzogen von Hecken und durchsetzt von Baum- oder Buschgruppen, die alle ein wenig seltsam wirkten.
›Wie ein vertrauter Name oder Begrifft, dachte Mun go, ›in dem ein Buchstabe verändert ist. Oder ein bekanntes Gesicht nach einem Schlaganfall.‹ Es schien sich um angepaßte Pflanzen zu handeln, die von der Erde stammten, oder um einheimische Flora, die verblüffende Ähnlich keit mit bekannten Gewächsen aufwies. In unregelmäßigen Abständen waren auch größere und kleinere Gebäude zu sehen – Schuppen, Katen und Herrenhäuser.
Dann verlief die Straße durch einen ausgedehnten Wald mit ebenfalls merkwürdigen, halbvertrauten Bäumen. Nach einiger Zeit verlor Carteret jedoch die Lust, die vorbeifliegende Landschaft zu betrachten. Alf hatte die Augen geschlossen und schnarchte leise, und Mungo zog den kompakt aus der Reisetasche. Da er nicht wie sonst mit dem Gerät sprechen konnte, berührte er einige Knöpfe neben der rechten Schläfe des Totenschädels. Aus einem Auge wurde der kleine Bildschirm ausgefahren und aufgeklappt, aus einer Kammer im Unterkiefer ein Kunststoffpäckchen, das sich zu einer Tastatur aufblähte. Er gab ein paar Befehle ein.
Der Bus hielt noch dreimal in größeren Orten, bis er etwa vier Stunden nach dem Aufbruch aus Pentagora die Alpulia-Berge erreichte. In dieser Zeit studierte Carteret die Dossiers über Aspolynga, Gurgash, die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Gebräuche. Er formulierte einige Hypothesen, die der kompakt sogleich verwarf, und stell te eine Liste von Fragen zusammen. Die meisten ließen sich mit den inzwischen vorhandenen Kenntnissen beantworten. Andere betrafen Zustände und Ereignisse innerhalb der Führungsschicht von Gurgash, und diese würde er erst beantworten können, wenn er bestimmte Auskünfte erhalten hatte. Falls er diese überhaupt erhalten konnte.
Den Dossiers zufolge betrieb man auf Aspolynga anders als z. B. auf Ulalume nicht das, was einer der anonymen Berichterstatter »kannibalischen Anarchokapitalismus« genannt hatte. Loredanos Sicherheitsleute waren zweifellos immer mit ihrem Dienstherren und zu dessen Schutz hergekommen; offenbar hatten sie sich von äußeren Ähnlichkeiten dazu bringen lassen, die ihnen besser bekannten Verhältnisse auf Ulalume hier ebenfalls vorauszusetzen. Und offenbar hatten sie ihre Dossiers nicht oder nur oberflächlich gelesen. Natürlich gab es Grundherren, reiche Händler und große Wirtschaftsbosse, aber die von Ben erwähnte »Gilde der Meister« war kein oligarchischer Zusammenschluß, sondern eine zweifellos mächtige Interessenvertretung, eher ein einflußreicher Club. Die Siedler schienen von der Erde nicht nur Saat gut und genetisches Material für Nutztiere, sondern auch eine Ratsdemokratie mitgebracht zu haben, die sich seither überall erhalten oder durchgesetzt hatte. Das Fehlen von Staaten im herkömmlichen Sinn samt ihren Ordnungs- und Machtapparaten lag wohl eher daran, daß die Bevölkerung einigermaßen homogen war und weder religiöse noch ideologische Tollhäuser angerichtet hatte. Es gab keine territorialen oder weltanschaulichen Konflikte zwischen den
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