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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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die auf
der Vorstellung von Sünde und Schuld beruhten, oder auch
Zivilisationen der Scham und der durch Rituale kanalisierten
Ausschweifung. Soviel zum ersten.
    Zum zweiten fordere ich durchaus nicht die
»Robotisierung« des Menschen. Wenn ich verschiedene
elektronische und andere Prothesen erwähnte, so nur, um heute
verfügbare konkrete Beispiele zu nennen. Bei einem Roboter denken
wir an einen mechanischen Götzen, eine ungefähr
menschenähnliche Maschine, die menschliche Intelligenz besitzt.
Der Roboter ist somit eine primitive Kreatur des Menschen und nicht
sein Nachfolger. Eine Rekonstruktion des Organismus muß nicht den
Verzicht auf wertvolle Merkmale bedeuten, sondern lediglich die
Eliminierung solcher Merkmale, die gerade beim Menschen unvollkommen
und primitiv sind. Die Evolution hat, als sie unsere Gattung formte,
ungewöhnlich schnell gearbeitet. Die ihr eigentümliche
Tendenz, Konstruktionslösungen von einer früher entstandenen
Gattung beizubehalten, hat unsere Organismen mit einer Reihe von
Mängeln belastet, die unseren vierbeinigen Vorfahren unbekannt
sind. Bei ihnen braucht das Becken nicht die Last der Eingeweide zu
halten. Da es sie beim Menschen stützen muß, haben sich
Muskelbänder entwickelt, die den Geburtsvorgang bedeutend
erschweren. Die aufrechte Haltung hat sich gleichfalls auf den
Blutkreislauf nachteilig ausgewirkt. Die Tiere kennen keine
Krampfadern, eine der Plagen des menschlichen Körpers. Die
gewaltige Zunahme der Hirnkapsel führte zu einer solchen
rechtwinkligen Verdrehung des Rachenraumes (dort, wo er in die
Speiseröhre übergeht), daß sich an dieser Stelle
Luftwirbel bilden, mit der Folge, daß sich an den
Rachenwänden ungewöhnliche Men gen von Aerosolen und
Mikroorganismen ablagern, wodurch der Rachen zum Einfallstor einer
großen Zahl ansteckender Krankheiten wurde. Die Evolution hat
versucht, dem entgegenzuwirken, indem sie die kritische Stelle mit
einem Ring von lymphatischem Gewebe umgab, doch hat diese Improvisation
nicht nur keine Resultate gebracht, sondern ist zur Ursache neuer
Beschwerden geworden, denn diese Gewebsanhäufungen wurden zum Herd
permanenter Infektionen. Ich behaupte nicht, daß die tierischen
Vorfahren des Menschen ideale Konstruktionslösungen dargestellt
hätten; vom Standpunkt der Evolution ist jede Gattung
»ideal«, wenn sie imstande ist, sich zu erhalten. Ich
behaupte nur, daß Juan sich selbst bei unseren überaus
armseligen und unvollständigen Erkenntnissen Lösungen
vorstellen kann, die, auch wenn sie einstweilen nicht realisierbar
sind, die Menschen von zahllosen Leiden befreien würden. Wenn wir
Prothesen jeglicher Art schlechter finden als die natürlichen
Gliedmaßen und Organe, so deshalb, weil sie ihnen bisher
tatsächlich an Leistungsfähigkeit* unterlegen sind. Ich bin
selbstverständlich der Auffassung, daß dort, wo
technologische Gesichtspunkte nicht entgegenstehen, ästhetischen
Kriterien Raum gegeben werden kann. Wir finden das Äußere
des Körpers, wenn es von einem zottigen Pelz bedeckt ist, genauso
unschön, wie wenn es aus Stahlblech wäre. Dabei könnte
es sein, daß es sich in nichts – weder für das Auge
noch für die übrigen Sinne –, von der Haut
unterscheidet. Mit den Schweißdrüsen ist es etwas anderes:
man weiß ja, wie sehr die zivilisierten Menschen bemüht
sind, die Folgen ihrer Tätigkeit auszuschalten, die manchen bei
der persönlichen Hygiene großen Kummer bereiten. Doch um
solche Einzelheiten soll es uns nicht gehen. Wir reden
schließlich nicht über das, was in zwanzig oder hundert
Jahren sein kann, sondern über das, was noch denkbar ist. Ich
glaube nicht an irgendeine endgültige Lösung. Auch eine
»Übermensch« wird sich sehr wahrscheinlich nach einer
gewissen Zeit für ein unvollkommenes Wesen halten, wenn neue
Technologien ihm etwas ermöglichen, was uns jetzt als eine
für immer unrealisierbare Phantasie erscheint (z. B. das
»Umsteigen von einer Persönlichkeit in eine andere«).
Daß man durch bewußte geistige Anstrengung eine Symphonie,
eine Skulptur oder ein Bild schaffen kann, ist heute nichts
Ungewöhnliches. Der Gedanke dagegen, sich einen Nachkommen zu
»komponieren«, diejenigen geistigen und körperlichen
Merkmale, die wir gern an ihm sehen würden, zu orchestrieren
– ein solcher Gedanke ist eine abscheuliche Häresie. Aber
auch das Verlangen zu fliegen, den Wunsch, den menschlichen Körper
zu studieren, das Bauen von Maschinen und die Erforschung der
Anfänge des Lebens

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