Die Rekonstruktion des Menschen
immer in die Kieferknochen eingesetzt werden
und deren Zahnteile aus den härtesten Materialien bestehen, wie
sie der Organismus nicht hervorbringt, und die praktisch
unzerstörbar sind. Schließlich kommt es ja bei einem Organ
nicht auf seine Genese an, sondern darauf, daß es perfekt
gearbeitet ist und perfekt funktioniert. Wenn wir Penicillin benutzen,
kümmert es uns nicht, ob es in den Retorten eines Laboratoriums
oder von einem echten Pilz auf einem Nährboden produziert wurde.
Wenn wir also eine Rekonstruktion des Menschen planen und uns auf
diejenigen Mittel beschränken, deren Entwicklung durch die
Informationsübertragung des Erbplasmas ermöglicht wird, dann
verzichten wir vollkommen unnötig darauf, den Organismus mit
vervollkommneten Systemen und neuen Funktionen auszustatten, die
überaus vorteilhaft und nützlich wären.
Dem halten wir entgegen, daß der Verfechter
einer konstruktiven Umwälzung sich über die Konsequenzen
seiner eigenen Postulate offenbar nicht im klaren ist. Uns geht es
allerdings nicht bloß um die starke Anhänglichkeit, die der
Mensch dem Körper, den er nun einmal hat, entgegenbringt. Die
ganze Kunst und Kultur einschließlich der allerabstraktesten
Theorien sind voll von jener Körperlichkeit, wie sie uns in ihren
Formen und ihrem Ausdruck von der Natur gegeben ist. Von
Körperlichkeit geprägt sind die Kanons aller historischen
Ästhetiken, alle existierenden Sprachen und damit auch das gesamte
menschliche Denken. Auch gibt es, allem Anschein zum Trotz, keine
Werte, die nicht unter Beteiligung des körperlichen Faktors
entstanden wären. Die Liebe, auch wenn man sie durchaus nicht
physiologisch auf faßt, ist etwas ganz und gar Körperliches.
Sollte sich der Mensch unter dem Druck der mit eigenen Händen
geschaffenen Technologien tatsächlich selber umgestalten, sollte
er den Roboter mit einem perfekten kristallinen Gehirn tat
sächlich für seinen Nachfolger halten, so wäre das der
größte Wahnsinn. Es wurde nicht mehr und nicht weniger
bedeuten als den kollektiven Selbstmord der Rasse, verschleiert durch
den Anschein ihres Fortlebens in denkenden Maschinen, die ein
Bestandteil der vom Menschen erzeugten Technologie wären: letzten
Endes würde der Mensch damit zulassen, daß die von ihm
geschaffene Technologie ihn aus seiner Lebenssphäre, aus seiner
ökologischen Nische verdrängte und gewissermaßen zu
einer neuen, synthetischen Gattung würde, welche die schlechter
angepaßte Gattung vom Schauplatz der Geschichte verweist.
Diese Argumente überzeugen unseren Gegner
nicht. Über die Körperlichkeit der menschlichen Kultur, so
erklärt er, weiß ich ausgezeichnet Bescheid, doch meine ich
nicht, daß alles daran wertvoll ist und deshalb verdiente,
für immer bewahrt zu werden. Ihr wißt doch, welchen fatalen
Einfluß auf die Entwicklung bestimmter Vorstellungen und die
Entstehung gesellschaftlicher und religiöser Vorschriften eine im
Grunde so zufällige Tatsache wie zum Beispiel die Lokalisierung
der Fortpflanzungsorgane gehabt hat. Es lag an der Sparsamkeit, mit der
die Natur arbeitet, und an ihrer Gleichgültigkeit gegenüber
in unserem Sinne ästhetischen Rücksichten, wenn die
Kanäle, durch welche die Endprodukte des Stoffwechsels
ausgeschieden werden, den Geschlechtskanälen benachbart sind und
teilweise mit ihnen zusammenfallen. Diese biologisch vernünftige
Nachbarschaft, im übrigen die unvermeidliche Folge einer
Konstruktionslösung, die schon auf der Stufe der Amphibien und
Reptilien, also vor Hunderten von Jahrmillionen realisiert wurde, hat,
als die Menschen begannen, die Funktionen der eigenen Organe zu
beobachten und zu erforschen, in ihren Augen auf den Geschlechtsakt
einen Schatten von Schande und Sünde geworfen. Daß dieser
Akt etwas Unreines sei, drängte sich gleichsam von selbst auf,
sind doch die Organe, mit denen er vollzogen wird, so eng mit den
Ausscheidungsfunktionen verbunden. Der Organismus muß die
ausgeschiedenen Endprodukte meiden – das ist biologisch wichtig.
Zugleich muß er jedoch die geschlechtliche Vereinigung anstreben,
denn sie ist für die Evolution unerläßlich. Das
Zusammentreffen von zwei derart bedeutenden, diametral
entgegengesetzten Geboten mußte entscheidend dazu beitragen,
daß Mythen von der Ursünde und von der naturgegebenen
Ureinheit des Geschlechtslebens und seiner Erscheinungen entstanden,
und so schuf der Geist, hin- und hergerissen zwischen der erblich
programmierten Abstoßung und Anziehung, Zivilisationen,
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