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Die Riesen vom Hungerturm

Die Riesen vom Hungerturm

Titel: Die Riesen vom Hungerturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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auch er sich auf den Weg machte. Sein Ziel waren die Unterkünfte der Krieger. Wohin der König ging, war unschwer zu erraten.
    Allein Dryhon blieb vor den Zinnen stehen und spähte hinaus aufs Land.
    Ein feines, kaltes Lächeln umspielte seine schmalen Lippen.
    Zwei Magier hielten Wache vor den Gemächern der Königin. Andraiuk nickte ihnen knapp zu und versuchte, in ihren Augen zu lesen.
    »Sie schläft«, sagte Murac. »Störe sie jetzt besser nicht, Herr.«
    Andraiuk warf nur einen kurzen Blick ins Schlafgemach. Sabri, gerade 37 Sommer alt, bot einen erschreckenden Anblick, der ihm das Herz noch schwerer machte. Sie war in den letzten Tagen gealtert. Nun lag sie entspannt und ruhig auf ihrem Lager.
    Doch das mochte täuschen und konnte ihre Qualen nicht verbergen.
    Hätte sie ihn nicht auf den Knien und unter Tränen gebeten, auf Alamogs Rückkehr zu warten…
    »Wo ist das Kind?« fragte Andraiuk leise.
    »Bei der Amme«, flüsterte Murac. »Es… ist wieder etwas geschehen.«
    »Was?« fragte Andraiuk alarmiert. Bevor der Magier antworten konnte, winkte er ab. »Ich sehe es mir selbst an. Weiß Sabri davon?«
    Murac und der andere schüttelten gleichzeitig die Köpfe.
    »Laß niemanden zu ihr, bis ich zurück bin.«
    Andraiuk wandte sich zum Gehen. Vor einer Treppe aus geschliffenem Jadestein drehte er sich noch einmal um und rief mit erhobenem Zeigefinger:
    »Auch Dryhon nicht!«
    Die Magier deuteten eine Verneigung an und bestätigten den Befehl.
    Schweigend schritt der König die Stufen hinauf. Auch wegen Dryhon wünschte er, Alamog möge bald zurückkehren. Er wußte nicht, was er von Dryhon zu halten hatte. Er kannte ihn seit vielen Sommern, und doch blieb er ihm fremd. Gewiß hatte der Magier ihm große Dienste geleistet, doch nie konnte Andraiuk sich des Eindrucks erwehren, daß Dryhon im stillen jeden geleisteten Dienst auflistete und ihm irgendwann einmal aufrechnen wollte.
    Andraiuk durfte sich nicht auch noch damit belasten. Jetzt nicht.
    Solange Yavus fort war, lag die Verteidigung der Stadt in Tarakons Händen, konnte er selbst sich schon nicht darum kümmern. Zu Tarakon wie zu Yavus hatte er volles Vertrauen. Nur so fand er die Zeit, sich überhaupt um die Dinge zu kümmern, die nur ihn und die Königin angingen.
    Andraiuk nahm die letzte Stufe und schritt in einen toten Korridor hinein. Wie fast überall im Palast, waren die Wände weiß gekalkt. Nur hier und da hingen die großen Banner mit dem Wappen Aylands an hölzernen Stangen – ein schwarzes Tokapi auf gelbem Grund. Über den Boden verliefen scharlachrote Teppiche.
    Niemand hatte Zugang zu diesem Teil des Palasts außer Andraiuk selbst, seiner Familie, einigen Magiern und den Bediensteten, die neues Öl in die Lampen zu füllen und die Gemächer sauberzuhalten hatten. Und auch diese durften nur in Begleitung eines Magiers hierher.
    Der Weißen Magie Kundige gab es viele unter den 500.000 Ays, die in den vielen befestigten Grenzdörfern, längs des Reyhim zwischen den fruchtbaren Feldern in der Flußebene oder verstreut in den Bergen lebten. Schon Andraiuks Vorgänger hatten entsprechende Schulen errichten lassen, so daß nun jeder zehnte Ay in der Lage war, seine Familie und Nachbarn vor den verderblichen Kräften aus der Düsterzone zu schützen.
    Im Grunde sind sie alle machtlos! dachte Andraiuk finster. Keine Magie konnte Sabri gesunde, gute Kinder schenken.
    Vor einer Tür aus Zedernholz blieb er stehen. Kurz sah er sich um. Erst als er sicher zu sein glaubte, unbeobachtet zu sein, klopfte er wie vereinbart an – fünfmal kurz hintereinander.
    Die Amme öffnete ihm, nachdem von innen ein Riegel zurückgeschoben worden war. Schnell schlüpfte der König an ihr vorbei und legte selbst den Riegel wieder vor.
    Die Alte sagte kein Wort, und vergeblich suchte Andraiuk in ihrem runzligen Gesicht zu lesen.
    Er trat an das Kindeslager. Das drei Tage alte Mädchen blickte ihn aus großen Augen an und reckte ihm die kleinen Händchen entgegen, als wüßte es genau, wer da vor ihm stand.
    Andraiuk wurde warm ums Herz. Er konnte wahrhaftig kein Zeichen von Besessenheit erkennen. So ließ er sich auf die Knie fallen und strich Lillil sanft über den noch kaum behaarten Kopf. Das Kind gab keinen Laut von sich.
    »Was ist geschehen?« fragte Andraiuk die Amme. »Murac sagte mir, daß…«
    »Steh auf, Herr«, flüsterte die Alte. »Bei allen Göttern, berühre es nicht länger!«
    »Was soll das Gerede?« Ungehalten wandte er sich ihr zu, ließ aber

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