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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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machen.

    Sie traten ein. Der Mann mit dem grauen Bart, das Porträt an Almas und Edvins Wand, saß zurückgelehnt in einem Sessel aus rotem Stoff. Er hielt eine Zigarre in der Hand. Hinter ihm stand der Mann mit dem Taschentuch. Ansonsten war das Zimmer leer. Sanna knickste, Daniel machte einen Diener. Er erinnerte sich an das, was Kiko einmal erzählt hatte, von den früheren Königen, vor denen man sich auf den Boden werfen sollte, um seinen Nacken unter einem ihrer Füße zu plazieren, zum Zeichen der Unterwerfung. Ich stehe vor einem König, dachte Daniel. Er ist meine letzte Möglichkeit.
    Er trat ein paar Schritte vor, warf sich der Länge nach auf den Boden, ergriff einen der blankpolierten Schuhe des Königs und plazierte ihn auf seinem Kopf. Der König fuhr aus dem Stuhl hoch, und der Mann mit dem Taschentuch drückte nervös auf eine Klingel. Sogleich war Daniel von Menschen umringt, die durch die Wände hereingekommen zu sein schienen. Sie hielten ihn fest. Der König setzte sich wieder hin.

    - Sachte, sagte er. Laßt uns das Negerkind mit wachsamen Augen betrachten. Daß das Mädchen weniger verständig ist, hat sich gezeigt. Aber der Junge muß eine merkwürdige Geschichte zu erzählen haben. Laßt uns achtsam sein.
    Sie durften sich auf niedrige Schemel setzen, die mit demselben roten Stoff bezogen waren wie der Sessel des Königs. Sanna fing sofort an zu weinen. Aber sie tat es lautlos. Nur Daniel ahnte die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Vielleicht kam es daher, weil es ihr leid tat und sie einsah, daß sie ihn in die Tiefe hätte sinken lassen sollen, wo Be und Kiko warteten. Er konnte es verstehen. Trotzdem haßte er sie.
    - Wie heißt du? fragte der König.

    - Ich heiße Daniel. Ich glaube an Gott.
    Der König betrachtete den Rauch, der sich aus seiner Zigarre kringelte.

    - Eine gute Antwort. Aber sie wirkt wie auswendig gelernt. Laß mich deine Geschichte hören. Wie du hergekommen bist.

    Daniel erzählte. Vielleicht würde der König verstehen, wie wichtig es für ihn war, die Reise fortzusetzen. Sanna saß still da und zupfte nervös an ihrem Kleid. Dann und wann stellte der König eine Frage, und Daniel versuchte zu antworten, ohne den Faden der Geschichte zu verlieren.

    Als er verstummt war, betrachtete der König ihn lange. Daniel merkte, daß seine Augen freundlich waren. Aber sie sahen ihn nicht. Sie schauten an ihm vorbei, genau wie Vater, wenn er an etwas Wichtiges dachte.
    - Eine merkwürdige Geschichte, sagte der König. Aber erfüllt vom guten Willen. Zu helfen. Du sollst bleiben und dein Leben dort verbringen, wo du gelandet bist. Die Wüste mußt du einfach vergessen. Da ist es außerdem viel zu warm.
    Er nickte dem Mann mit dem Taschentuch zu. Der Mann in der goldenen Livrée, der die ganze Zeit im Hintergrund gestanden hatte, trat näher.
    Der König erhob sich und streckte ihnen zwei Fotografien hin. Sein Name war darauf geschrieben. Es war das gleiche Bild, das bei Alma an der Wand hing. Sanna machte einen tiefen Knicks. Daniel nahm das Bild entgegen, ließ es aber zu Boden fallen. Er bückte sich und hob es auf und dachte, gleich würde ihn jemand strafen, indem er ihn auf den Kopf schlug.

    - Wahrlich eine sehr bemerkenswerte Morgendämmerung, sagte der König und verließ das Zimmer.

    Sie durften die Kleider anbehalten, die nassen Sachen lagen in einem Seesack. Das Boot mit Hans Höjers Leichnam war schon fort. Daniel bemerkte, daß sich ständig zwei Matrosen an seiner Seite hielten, für den Fall, daß er wieder versuchen würde, sich über Bord zu werfen. Aber er hatte aufgegeben. Sie stiegen ein Fallreep hinunter und wurden dann an Land gesegelt. Über dem Sund hatte der Wind aufgefrischt. Sie kamen zu der Stadt, die Malmö hieß. Sanna hielt das Bild des Königs krampfhaft umklammert. Daniel tat nur das, was von ihm verlangt wurde. Ein Wagen fuhr vor, und der Kutscher bekam Anweisung, wohin er sie bringen sollte. Als sie im Wagen saßen, lehnte Sanna sich an ihn.

    - Jetzt traut er sich nicht mehr, mich zu schlagen, sagte sie. Er wird es nicht wagen, mich zu Boden zu werfen und ihn mir reinzustecken. Jetzt nicht mehr, wo ich ein Bild vom König bekommen habe.
    Daniel antwortete nicht. Sanna hatte ihn verraten. Das konnte er ihr nicht verzeihen.

    Spät am Abend rollte der Wagen auf den Hof. Es war Sanna, die den Weg gezeigt hatte. Alma und Edvin traten aus der Tür. Daniel sagte nichts. Er ging nur in den Stall und legte sich ins Heu. Von draußen konnte

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