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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ich mich ans Ruder setzen.

    Er kroch über den Toten hinweg und setzte sich an die Ruderpinne. Die Leine des Segels war nur lose befestigt. Sanna fing an, in den Taschen des toten Mannes nach dem Geld zu suchen.
    - Wenn er tot ist, braucht er kein Geld.

    Sie steckte sich die zusammengerollten Scheine unter die Bluse und warf dann die schmutzige Decke über den Mann.

    - Sind wir bald da? fragte sie ungeduldig.
    - Noch nicht, antwortete Daniel. Noch nicht ganz.
    Dann saßen sie schweigend da. Sanna schlief ein. Daniel hörte, wie sie schnarchte. Er wartete auf die Dämmerung. Erst dann würde er sehen können, in welche Richtung sie segeln mußten. Dann würde er auch entscheiden, was er mit dem Mann anfing, der tot zu seinen Füßen lag.

    28

    Der Posten am Ausguck gähnte. Er stand an der Reling und suchte mit dem Feldstecher den Horizont ab. Der Morgen dämmerte langsam über dem Sund herauf. Am Heck war ein Matrose damit beschäftigt, die dreizüngige blaugelbe Flagge zu hissen, in die das norwegische Wappen eingefügt war.

    Der Morgen war kühl, das Wasser unbewegt. Auf der einen Seite lag Malmö, auf der anderen Kopenhagen. Sie steuerten langsam in Richtung Norden. König Oskar war am Abend von heftigen Kopfschmerzen heimgesucht worden, und Kapitän Roslund hatte während der Nacht beigedreht. Nun setzten sie gemächlich die Fahrt nach Göteborg fort, der ersten Station auf der Reise nach Kristiania.
    Der Posten ließ den Feldstecher weitergleiten. Eine einsame Möwe schaukelte auf der Wasseroberfläche. In der Ferne waren ein paar Fischerboote auf dem Weg nach Norden, vielleicht zu den reichen Fischgründen jenseits der dänischen Küste.
    Plötzlich entdeckte er ein Boot, das ganz still auf dem Wasser lag. Es war ein sehr kleines Fischerboot. Er stützte die Ellbogen auf die Reling, um so seinen Blick zu fixieren. Es schien, als wäre gerade jemand dabei, ein Netz auszulegen, oder vielleicht eine Boje. Dann wurde dem Posten zu seinem Entsetzen klar, daß jemand damit beschäftigt war, Gewichte an einem Menschenkörper zu befestigen.

    Er rief den Matrosen herbei, der die Flagge gehißt hatte. Kapitän Roslund, ein Frühaufsteher, steckte den Kopf aus dem Fenster der Kommandobrücke und mahnte zur Ruhe.

    Der König schlief und sollte nicht geweckt werden. Der Matrose schaute durch den Feldstecher.
    - Sie kippen einen Menschen über Bord, sagte er verdutzt. Ob das ein Mord ist?
    Wieder sahen sie durchs Fernglas und überzeugten sich. Ein lebloser, mit Steingewichten beschwerter Körper wurde in eine Decke gewickelt. Im Boot befanden sich ein junges Mädchen und ein Junge, der ganz schwarz war.
    Der Matrose schauderte.
    - Wir müssen mit Roslund sprechen.

    Gemeinsam stiegen sie zur Kommandobrücke der »Drott« hoch. Roslund hörte sich an, was sie zu erzählen hatten, schüttelte den Kopf, nahm aber doch sein eigenes großes Fernrohr. Er fuhr zusammen, setzte das Fernrohr ab und hielt es dann wieder vors Auge.

    - Wir müssen dorthin, sagte er. Falls der König aufwacht, können wir nur hoffen, daß er die Notwendigkeit einsieht.

    Roslund gab Order, die Geschwindigkeit ein wenig zu erhöhen. Der weißgekleidete Jungmann am Steuer bekam den neuen Kurs mitgeteilt. Roslund berechnete die Entfernung auf achthundert Meter.
    - Einer von ihnen ist schwarz, sagte Roslund. Kann es ein Kohlenträger sein?
    - Es ist ein kleiner Junge, antwortete der Matrose.

    Daniel sah, wie sich das große Schiff näherte. Zuvor hatte es unbeweglich dagelegen. Er hatte Mühe, die beiden Steingewichte zu befestigen, die er im Boot gefunden hatte. Sanna wollte ihm nicht helfen. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt, plätscherte mit einer Hand im Wasser und summte vor sich hin, als ginge sie das, was hinter ihr geschah, nichts an.
    Als Daniel den Körper endlich ins Wasser gekippt hatte, war das große Schiff schon nahe.
    Aber der Körper sank nicht. Er trieb weiter neben dem Boot.
    Jemand rief ihm etwas zu, ein Mann mit Schirmmütze und Goldknöpfen an der Jacke. Daniel hörte nicht darauf. Er versuchte den Körper unter die Oberfläche zu drücken. Aber es wollte nicht gelingen. Ein Rettungsboot wurde von der Reling heruntergelassen, und ein paar Matrosen ruderten rasch zu ihrem Boot hin. Sanna hatte sich die schmutzige Decke über den Kopf gezogen, summte aber nach wie vor. Daniel hörte, daß es ein Kirchenlied war. Der Mann mit der Schirmmütze hielt sich an der Reling fest.
    - Was zum Teufel geht hier vor? Habt ihr ihn

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