Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
Steigbügeln aufzurichten,
so dass er den Weiher sowie die nähere Umgebung überblicken kann.
    Joan duckt sich noch tiefer ab,
wobei sie versucht, keine verräterischen Wellen zu verursachen. Sie hält gar
den Atem an und beobachtet bange das Schlachtross, welches nun unter lautem
Schnauben ungeduldig mit dem Schweif schlägt. Es bewiegt den Reiter, sich
endlich aus dem Sattel zu schwingen. Er führt das Tier zum Wasser und tränkt
es. Joan ist vielleicht einen Steinwurf von ihm entfernt und mustert seine
stattliche Erscheinung. Trotz seiner beachtlichen Größe überragt ihn der
Widerrist seines Pferdes noch um etwa eine Haupteslänge. Er scheint weiterhin
beunruhigt zu sein und sieht nun direkt zum Schilf herüber. Vermutlich spürt er
ihren Blick, überlegt Joan, so dass sie entsetzt die Augen schließt. Als sie
das Pferd schmatzend saufen hört, riskiert sie jedoch ein Blinzeln. Der Mann hat
sich seinem Schwertgurt zugewendet. Er löst ihn mit geübten Griffen.
Spielerisch lässt er das Schwert am Gurt ins Ufergras herab und beginnt, sich
gemächlich zu entkleiden. Joan reißt bestürzt die Augen auf. Sie will alles
andere, als ihn jetzt beim Bade zu beobachten. Doch sie wagt keine Bewegung.
Nicht auszudenken, wenn er sie hier nackt im Schilf entdeckt. Sie grübelt, was
alles zu bedeuten hat und es durchfährt sie blitzartig. Es muss sich um die
Männer des neuen Earls of Thornsby handeln. Sicher ist er einer der Ritter des
neuen Lords. Die Festung war seit über zwei Jahren unbesetzt und es ging
bereits das Gerücht, der Earl wäre im Kampf gegen die Schotten gefallen.
    Sie wird aus ihren Gedanken
gerissen, als sie den Mann plötzlich nackt vor sich am Ufer stehen sieht.
Verwundert betrachtet sie ihn nun doch. Bisher hatte sie nur selten
Gelegenheit, einen unbekleideten Mann beim Bade zu beobachten. Denn im
Gegensatz zum Adel waschen sich die einfachen Bauern so gut wie nie. Sein
muskulöser Körper ist mit unzähligen Narben übersät, etliche zeugen von ehemals
furchtbaren Verletzungen. Lächelnd streicht er seinem verschwitzten Pferd über
die Flanke und führt es langsam ins Wasser. Joan lässt sich keine Einzelheit
entgehen und sie kann angesichts jener, die bei jedem seiner Schritte hin und
her schaukelt, ein erheitertes Glucksen gerade noch unterdrücken. Insgeheim
scheltet sie sich eine alberne Gans, gibt sich jedoch unverzüglich Absolution.
Denn sie ist schließlich jung! Warum also sollte sie nicht albern sein dürfen?
Nun, da sich amüsante Augenblicke in ihrem hart gewordenen Leben ohnehin rar
gemacht haben.
    Bevor sie sich wieder in
Selbstmitleid ergehen kann, lenkt der Fremde erneut ihre Aufmerksamkeit auf
sich, indem er ganz abrupt die Zügel los lässt und kopfüber in den Weiher
hechtet. Er taucht lange, bis er prustend in der Mitte des Gewässers wieder
hoch kommt. Joan ist überrascht, dass er so gut schwimmen kann. Zwar lernt man
es in Adelskreisen bereits als Knappe, da Schwimmen zu den ritterlichen Fertigkeiten
zählt, beherrscht es jedoch selten derart vollendet. Mit beinahe lautlosen,
geschmeidigen Zügen bewegt er sich durchs Wasser zurück zu seinem Pferd,
welches ihm ein Stück nachgelaufen ist und nun bis zum Bauch im kühlen Nass
steht. Mit freudig angehobenem Schweif begrüßt es seinen Herrn laut wiehernd,
so dass dieser lacht. Er versucht, es weiter ins Wasser zu locken, doch das
Tier lässt sich nicht darauf ein. Joan fällt auf, dass er äußerst vertraut und
liebevoll mit seinem Pferd umgeht. Ein Umstand, der für ihn spricht. Denn Joans
Erfahrung nach ist tierlieben Menschen zu trauen. Dennoch bleibt sie lieber in
Deckung. Allmählich beginnt sie, zu frösteln und hofft, er möge sich doch
endlich wieder aufmachen. Plötzlich bäumt sich der Destrier auf und kommt mit
den Vorderläufen hoch aus dem Wasser heraus. Laut aufspritzend taucht er wieder
ein, um dann übermütig wiehernd den riesigen Kopf zu schütteln. Sein Herr kommt
an seine Seite und versetzt ihm einen Schlag auf den Hinterschenkel. Das wohl
abgerichtete Ross schreckt jedoch nicht hoch, sondern wendet ihm gelassen den
Kopf zu. Eine Windböe lässt die schwarze Mähne herrlich fliegen. Jäh verliert
das prächtige Geschöpf jedoch Joans Aufmerksamkeit, als etwas Weißes an ihr
vorbei auf die Wasserfläche geweht wird. Sie erstarrt vor Entsetzen. Denn sie
erkennt ihr feines, weißes Schnürleibchen - ein Relikt aus besseren Zeiten -
und muss hilflos mit ansehen, wie dieses langsam auf das Pferd und seinen

Weitere Kostenlose Bücher