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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Mongoloiden aus Tibet von der Gartenpforte aus mit heimlicher Kennerschaft beobachteten.
    Schon gleich im Morgengrauen überdeckte ein Konzert aus Räuspern und Bronchitiden das Kreischen der Vögel im Garten und die Sohlen der Ärzte auf den Fluren, die gekommen waren, um die Verschlechterungen im Thorax der Kranken abzuhorchen, deren Lungen den Deckchen auf den Beistelltischchen glichen in ihrer Bereitschaft, sich unter der einfachen Kraft des Blickes in Krümel aufzulösen. Der Mann namens Luís, den sie trotz des Nichtvorhandenseins von Symptomen zwangen, den Bademantel eines Sterbenden anzuziehen, erhielt die Erlaubnis, eine Stunde außerhalb der Einfriedung des Hospizes in Begleitung eines Dieners zu verbringen, der den für die Bazillen des auf sich warten lassenden Blutauswurfs vorgesehenen Porzellannachttopf trug. So lernte er in Pantoffeln den vom Sanatorium
der traurigen Miasmen vergifteten Stadtteil kennen, in dem alle aus Furcht vor Ansteckung die Angewohnheit annahmen, sich ein Taschentuch an den Mund zu drücken, was dem Epiker den Eindruck verschaffte, im Pyjama inmitten von Chirurgen auf Abwegen herumzulaufen, die sich als Fischverkäuferinnen, Klempner oder Bankkassiers verkleidet hatten und die vom glühenden Augustlack zermalmt wurden.
    Ihm kam Lixboa immer mehr wie ein zielloses Kreiseln von Häusern vor, eine wilde Jagd von Regenrinnen, von Bretterzäunen, Kirchtürmen und Straßen, denen die Bauarbeiten der Stadtverwaltung die Eingeweide der Abwasserleitungen unter einem von Wolkenpusteln übersäten Himmel freilegten. Inmitten so großer, hassenswerter Helligkeit, die die Menschen der Barmherzigkeit ihrer eigenen Schatten entledigte, folgte der Schriftsteller schließlich schwindlig vom Licht, immer den Kerl mit dem Nachttopf an den Hacken, dem falschen Goldbesatz einer x-beliebigen Beerdigung in der Hoffnung auf die Zedernnacht der Friedhöfe, in der sich die Verstorbenen unter den Miniaturen griechischer Tempel und Kindern aus Gips in Luft auflösten, denen künstliche Blumen die Luft abdrückten, die nach den Gazekirschen der Hüte rochen und die er mit dem Naphtalingeruch der Todes verwechselte. Auf dem Backsteinsims einer Straße von Grabmälern sitzend, den Nachttopf in Reichweite für die erste Spucke, erlebte er die bescheidenen Leichenzüge der Armenbegräbnisse, oder vielmehr einen Sarg auf einem kaputten Karren, hinter dem alte Männer mit den Köpfen wackelten, und herumstreunende, von der Gegenwart des Leichnams aufgehetzte Straßenköter. In
einem fern des Meeres gelegenen Sanatorium hätte er Loanda und die hochbeinigen Vögel der Bucht mit ihren auf dem Wipfel der Palmen ausgestreckten Hälsen vergessen, wenn er in seinem Pavillon, der direkt an das Gebäude geklebt war, in dem die Dalai Lamas Diphtonge lernten, nicht hin und wieder das vom Windhauch gebrachte Motorwispern der Fregatten gehört hätte, die von den Docks in Cabo Ruivo unter der liturgischen Flamme der Stahlhütte zum Fischfang ausliefen.
    Sontagabends belebte ein Flötist, der auf der Station im dritten Stock untergebracht war, von wo aus man den Radar des Flughafens und Seixal in der Ferne erkennen konnte, den Gemeinschaftsraum mit den verzogenen Pingpongtischen und langen Konkubinensofas mit vom Emphysem des Instruments abgesonderten Balladen aus den dreißiger Jahren. Er war Koch in einem Restaurant in Lobito gewesen, das schwarze Lastwagenfahrer und Trunkenbolde ohne einen Heller aufsuchten, und er unterbrach den Schlaflosigkeitsschein der Fernsehprogramme, um die Querflöte aus einem Satinetui zu exhumieren, die drei Teile, aus denen sie bestand, ineinanderzustecken, um die Lippen wie einen Babyflaschenschnuller vorzurecken, die Fingerspitzen auf die Löchern im Gürtel ähnelnden Öffnungen zu legen und um auf Zehenspitzen, was den Tönen mehr Gefühl verleihen sollte, einen Tango von Gardel aus den Poren der Pfeife zu blasen, die der aus dem Takt geratene Husten der Siedler begleitete. Bei einem dieser schrecklichen Konzerte gleich nach den Nachrichten über die Streiks der Schweizer Uhrmacher, päpstliche Mondlandungen und Überschwemmungen in Cabo Verde bemerkte der Mann namens Luís, der
sich auf einem geblümten Sofa allein wähnte und über Oktaven nachdachte und ruhmreiche Episoden komponierte, die Gegenwart eines Kerls neben sich, der ein Albino und kurzsichtig war und die kleine Flasche für die Lungenauswürfe auf den Knien hielt und den der Klang der Flöte, ohne ihn zu berühren, durchdrang, so

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